In den letzten Wochen haben wir während der Science Holidays, einer Initiative des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Ferienbetreuung von Kindern an den Universitäten im Sommer, zwei Experimente mit flüssigem Stickstoff organisiert. Eines davon war das Schweben eines Magnets über einem Supraleiter, der mit flüssigem Stickstoff unter dessen kritischer Temperatur abgekühlt wurde. Im anderen Experiment wird versucht, das Konzept des flüssigen Stickstoffs zu erklären und den Kindern dabei nicht nur spannende und lustige Anwendungen, sondern auch die Gefahren dieser interessanten Flüssigkeit näherzubringen. Das Highlight unseres Programms ist die Herstellung von Stickstoffeis.

Wie entsteht flüssiger Stickstoff?

Man kennt die verschiedenen Aggregatzustände des Wassers: Fest (Eis), Flüssig (Wasser) und Gasförmig (Dampf). Auf die gleiche Weise kann Stickstoff beim Abkühlen seinen Aggregatzustand von gasförmig auf flüssig ändern. Der Verflüssigungsprozess von Stickstoff kann sehr vereinfacht so erklärt werden: Luft besteht zu etwa 78 Prozent aus Stickstoff. Zur Verflüssigung wird Luft zunächst in einem Behälter stark komprimiert. Während dieses Prozesses steigt der Druck und damit auch die Temperatur nach dem idealen Gasgesetz an. Dasselbe geschieht, wenn man einen Luftballon zusammendrückt: die Luft im Ballon erzeugt einen höheren Druck nach außen und deswegen kann der Luftballon sogar platzen. Der Temperaturanstieg ist in diesem Fall aber so gering, dass man es nicht merkt. Beim Verflüssigungsprozess wird die Luft bis auf einen Druck von circa 200 bar erhöht. Zum Vergleich: der normale Luftdruck liegt bei einem bar.

Die erhitzte komprimierte Luft gibt nun Wärme an die Umgebung ab. Danach wird die Luft wieder entspannt und kühlt ab. Die Temperatur der Luft liegt somit weit unter der ursprünglichen Anfangstemperatur und in der Nähe des Siedepunkts - das ist jene Temperatur, bei der sich der Aggregatzustand von gasförmig auf flüssig ändert. Für Stickstoff geschieht das bei minus 196 Grad Celsius (77 Kelvin). Unter dieser Temperatur ist Stickstoff flüssig und darüber gasförmig. Flüssiger Stickstoff wird in Behältern aufbewahrt, die ähnlich wie eine Thermoskanne funktionieren. Es sind doppelwandige Behälter, genannt Dewargefäße, in denen zwischen den zwei Wänden Vakuum erzeugt wird, um einen Wärmeaustausch mit der Umgebung zu vermeiden, also zu isolieren. In einem offenen Behälter, je nach Menge, wird der flüssige Stickstoff innerhalb weniger Stunden verdampfen. Im geschlossenen Dewargefäß wird durch langsames Versickern des Dampfes auch der flüssige Stickstoff maximal ein paar Wochen halten.

Stickstoff-Eis.
Foto: M. Steiner/A. Navarro-Quezada

Nicht ganz ungefährlich

Kommt flüssiger Stickstoff in Kontakt mit Luft, verdampft er sofort und es entsteht ein kühler Nebel. Das kann im Sommer sehr angenehm sein. Dennoch ist flüssiger Stickstoff nicht harmlos. Die extrem niedrige Temperatur der Flüssigkeit kann Erfrierungen in Kontakt mit der Haut und den Augen verursachen. Die Schäden sind ähnlich einer starken Verbrennung. Deshalb sind Schutzbrillen und Tieftemperaturhandschuhe als Sicherheitsmaßnahmen üblicherweise notwendig.

Beim Arbeiten mit flüssigem Stickstoff ist es wichtig, dass der Raum sehr gut belüftet ist, weil die hohe Konzentration an verdampftem Stickstoff den Sauerstoff im Raum verdrängen kann und somit Erstickungsgefahr besteht. Schon ein Sauerstoffgehalt von unter 15 Prozent in der Luft kann zu Erstickung führen.

Eingefrorene Rosen und dampfendes Popcorn

Was mit einem Material passiert, wenn man es in flüssigen Stickstoff eintaucht, hängt stark von der Struktur und den Eigenschaften des Materials ab. Bei einem aufgeblasenen Luftballon zum Beispiel wird sich der elastische Kunststoff, aus dem der Luftballon gemacht ist, beim Eintauchen zusammenziehen und die Luft im Inneren wird komprimiert. Nimmt man den Luftballon wieder heraus, dehnt sich der Luftballon wieder aus und die Luft entspannt sich. Somit kehrt der Luftballon wieder zurück zu seiner Anfangsform.

Taucht man eine Rose, die zu einem hohen Anteil aus Wasser besteht, in flüssigen Stickstoff, friert die Rose komplett ein. Schlägt man sie auf den Tisch, so zerbricht die Rose in kleine Teile, wie auf dem Bild unten zu sehen ist. Die kleinen Teile tauen dann später wieder langsam auf. Im Gegensatz dazu friert Popcorn, das sehr wenig Wasser enthält und porös ist, nicht ein, wenn es in flüssigen Stickstoff eingetaucht wird, sondern speichert Stickstoffdampf in den Poren. Man kann das Popcorn essen und dabei beobachten, wie Stickstoffdampf durch Nase und Mund hinausgeblasen wird. 

Eintauchen einer Rose in flüssigen Stickstoff.
Fotos: A. Navarro-Quezada

Ein russischer Professor für Thermodynamik erzählte uns während meines Physikstudiums in Mexiko, dass er und Kollegen während der langen Tieftemperaturmessungen im Labor Wodka in einer Styroporschale mit flüssigem Stickstoff bis zu einer butterähnlichen Konsistenz einfrieren ließen. Dann strichen sie die Wodkabutter auf Brot und hatten somit eine schnelle Jause. Ob das tatsächlich funktioniert, kann ich nicht sagen.

Nougat-Stickstoffeis

Eine weitere Anwendung flüssigen Stickstoffs in der Kulinarik ist das Stickstoffeis, das innerhalb weniger Minuten hergestellt werden kann. 

Zutaten (für circa 12 Portionen)

  • Circa 1 Liter flüssiger Stickstoff
  • 250 g Naturjogurt
  • 250 ml Schlagobers
  • 4 Esslöffel Nougatcreme

Zubereitung

Joghurt, Schlagobers und Nougatcreme zu einer homogenen Mischung mixen. Langsam und unter konstantem Rühren den flüssigen Stickstoff hinzufügen, bis man die gewünschte Konsistenz erreicht hat. Fertig ist das Stickstoffeis! Wichtig: während des Mixens Tieftemperaturhandschuhe verwenden. Es wird auch empfohlen, eine fachkundige Person dabei zu haben, um Unfälle zu vermeiden.

Qmag

Auf die Frage eines Mädchens während der Science Holidays, wieso Physik so spannend sei, war die Antwort eines anderen Mädchens, das genüsslich an ihrem Stickstoffeis leckte: „Na, weil es so gut schmeckt!“ (Andrea Navarro-Quezada, 1.9.2020)

Weitere Beiträge im Blog