August 2019 am Traisenstrand: Wo normalerweise nur vereinzelte Jogger und Spaziergänger dahintrotten, wird es deutlich lebendiger, wenn St. Pölten im Zeichen von Frequency steht.
Foto: APA/HERBERT P. OCZERET

Seit Jahrhunderten intensiv genutzt, hat die Traisen, ein 80 Kilometer langer Nebenfluss der Donau in Niederösterreich, schon so ziemlich alles erlebt, was es an Verschmutzung, Wasserentnahme und übermäßiger Regulierung gibt. 2009 kam dann ein etwas exotischerer Faktor hinzu, der zumindest kurzfristig ebenfalls Auswirkungen zeigt: In diesem Jahr ist nämlich das Frequency-Festival vom Salzburgring auf ein traisennahes Veranstaltungsgelände in St. Pölten übersiedelt und findet dort seitdem alljährlich statt.

Fallstudie

Welche Folgen der Trubel mit täglich mehr als 50.000 Besuchern für den Fluss hat, haben Wissenschafter der Universität Wien und des WasserCluster Lunz untersucht. Die Ergebnisse sind nun im Fachjournal "Environmental Science & Technology" erschienen – eine Woche, nachdem die heurige Festivalausgabe stattgefunden hätte, wenn es nicht die Corona-Pandemie gäbe.

Das Team um Astrid Harjung, Katrin Attermeyer, Michael Schagerl und Jakob Schelker interessierte sich dabei vor allem für die Vielzahl an organischen Verbindungen aus Getränken, Pflegeprodukten und Abfällen, die während des Festivals von den Besuchern in die Traisen "eingetragen" werden.

Wo der sommerliche Wasserstand selbst Fische zu Fußgängern macht, kommt es während des Festivals sogar zu einer Art Flussschifffahrt.
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Üblicherweise gelangen zahlreiche organische Moleküle aus den Wäldern, Wiesen und Feldern seines Einzugsgebiets in einen Fluss. Der so eingebrachte gelöste organische Kohlenstoff wird durch im Fluss lebende Mikroorganismen nach und nach abgebaut – ein Prozess, der "Veratmen" genannt wird. Dabei entsteht Energie für die Mikroben, aber auch überschüssiges Kohlendioxid, das an die Atmosphäre abgegeben wird.

Dieser Kohlenstoffkreislauf wird durch die Tausenden Frequency-Besucher verändert. Wie sehr und wie genau, das untersuchten die Forscher mittels Fluoreszenzspektroskopie. Sie fanden einen ganzen "Substanzen-Cocktail", in dem zu niemandes Überraschung Bier und Urin wesentliche Komponenten darstellen. Neben bekannten Verbindungen zeigte die Analyse aber auch eine zunächst unbekannte Komponente an.

Die Forscher erstellten daraufhin eine Liste möglicher Quellen für diesen unbekannten Stoff: Neben diversen Getränken wurden auch Pflegeprodukte wie Seife, Sonnencreme und Zahnpasta, aber auch Urin und Plastik als anthropogene Quellen in Betracht gezogen. In Laborexperimenten konnte dann nachgewiesen werden, dass ein häufig in Sonnencremen verwendeter UV-B Filter, Phenylbenzimidazolsulfonsäure (PBSA), das Signal erzeugte. Diese Beobachtung wurde später durch Flüssigchromatographie/Massenspektrometrie bestätigt.

Die Haltbarkeitsfrage

Anschließend wurde noch im Labor getestet, wie rasch die verschiedenen Substanzen veratmet, also von Mikroorganismen im Fluss abgebaut werden. Bei Bier und Urin ging das sehr schnell, die waren schon innerhalb weniger Stunden fast vollständig abgebaut – was allerdings den CO2-Ausstoß vor Ort erhöhte. Das PBSA aus Sonnencremen hingegen erwies sich als hartnäckig: Bei dieser Substanz ließ sich auch Wochen später noch kein biologischer Abbau quantifizieren. Diese Substanz gelangt über die Traisen in die Donau und schließlich ins Meer, wo sie sich mit den Sonnencremerückständen von anderen Stränden vereinigen kann.

Bilanz der Forscher: Die Studie zeige, dass intensive Freizeitnutzungen von Fließgewässern die Konzentration und Zusammensetzung des gelösten Kohlenstoffes maßgeblich verändern können. (red, 26. 8. 2020)