Fünf Jahre Flüchtlingskrise sind auch der Beginn einer fünf Jahre dauernden politischen Fixierung auf das "Ausländerthema" – mit allen Verhärtungen und Eskalationen. Der Aufstieg extrem rechter Parteien in Europa, die Regierungsbeteiligung der FPÖ in Österreich und die Wandlung der ÖVP von einer weltoffenen zu einer ausländerskeptischen "Heimat"-Partei wären ohne die Fluchtbewegung 2015 wohl nicht so, oder zumindest nicht so rasch, passiert.

2015 sind 71 Menschen in einem Lkw qualvoll erstickt.
Foto: Christian Fischer

Momentan geht den Menschen die Angst vor einer Infektion mit dem Coronavirus zwar näher als jene vor Menschen mit fremdländischen Wurzeln. Aber ohne großes Risiko kann man prognostizieren: Das "Ausländer-Thema" wird wieder kommen – und es wird dabei höchstwahrscheinlich wieder unappetitlich. Denn gelernt haben wir aus der damaligen Krise wenig. Am allerwenigsten die Politik.

Nach einer ersten Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft, die Österreichs Bevölkerung und die vieler anderer europäischer Länder erfasste, kam mit dem Jahreswechsel 2015/16 der radikale Umschwung. Die schockierenden massenweisen Übergriffe junger geflüchteter Männer auf Frauen in dieser Silvesternacht brachten eine Emotion zum Überkochen, die schon den ganzen Herbst über gebrodelt hatte. Und auf dieser Emotion trug der Großteil der europäischen Politiker fortan politische Auseinandersetzungen aus, gewann und verlor Wahlen und verabschiedete Gesetze, die immer restriktiver wurden – bis hin zur Sekkatur von Menschen, die sich trotz vieler Hindernisse bemühen, in unserer Gesellschaft Fuß zu fassen.

Integration als Multikulti-Hobby

So wurde bis heute der Widerspruch nicht aufgelöst, dass wir zwar nicht wollen, dass sich Menschen, vor allem junge Männer, tagein, tagaus fadisieren, während sie der Erledigung ihres Asylantrags harren – sie andererseits aber nicht so arbeiten lassen, dass sie für ihr Leben in Österreich auch selbst aufkommen können. Dafür streicht man bei der Mindestsicherung – die Frage, wovon die Menschen leben sollen, stellt sich die Regierung offenbar nicht.

Ähnlich widersprüchlich sind wir beim Thema Integration: Die einen halten es für ein romantisches, aber absolut unnötiges Multikulti-Hobby unterbeschäftigter Sozialarbeiter. Andere sehen in Integration eine maximal freiwillige Übung wohlmeinender Immigranten. Nichts davon ist tauglich: Es braucht robuste Instrumente, um das Erforderliche und Erwünschte durchzusetzen. Vor allem aber braucht es ausreichend Mittel und Ressourcen, um Integration zu ermöglichen.

Das fängt bei Deutschkursen für Neuankömmlinge an und hört bei der Ganztagsschule auf, in der, wie sonst nirgendwo, Integration gut gelingen kann – wenn nur die Möglichkeiten dafür geschaffen werden. Hier ist Österreich säumig, ebenso bei der Frage, wie wir mit gut integrierten Lehrlingen umgehen. Dagegen gibt man auf europäischer Ebene weiter unverdrossen den Hardliner. Der Wechsel von Türkis-Blau zu Türkis-Grün hat diesbezüglich kaum etwas bewirkt.

Die politische Fixierung auf das Thema Ausländer war bisher hauptsächlich negativ. Dass Zuzug auch Chancen birgt, sehen viele bis heute nicht. Dabei ist es Zeit, das politische Kleingeld endlich liegen zu lassen und allen Menschen hier eine Chance zu geben. Österreich braucht alle, die zum Wohle des Landes beitragen können. Gerade jetzt. (Petra Stuiber, 27.8.2020)