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Trotz Erfolgen im Kampf gegen die "wilde" Kinderlähmung bleiben Massenimpfungen in Afrika notwendig.
Foto: AP Photo/Sunday Alamba

Afrikas Gesundheitsbehörden können stolz sein. Nach jahrzehntelangem Kampf gegen das Poliovirus vermochte der Kontinent jetzt einen historischen Sieg zu vermelden: Seit drei Jahren wurde kein einziger neuer Fall einer "wilden" Kinderlähmung mehr gemeldet – nach dem Triumph gegen das Pockenvirus der erst zweite Vernichtungsschlag gegen eine Infektionskrankheit, die Millionen Menschen die Bewegungsfreiheit und zigtausenden das Leben raubte.

Vor allem im Norden Nigerias waren die Anstrengungen von außerordentlichen Härten begleitet. Dort traute die von Extremisten aufgewiegelte Bevölkerung den Impfungen nicht, die Milizionäre der extremistischen Boko-Haram-Sekte machten gar Jagd auf die Impfenden, mehrere von ihnen kamen ums Leben. Trotzdem hielten die Gesundheitspioniere an ihren wagemutigen Impfkampagnen fest.

Schattenseiten

Wie die meisten Triumphe hat jedoch auch dieser seine Schattenseiten – etwa dass es neben dem "wilden" auch das für die Impfungen gezüchtete Poliovirus gibt, das selbst zu einem gefährlichen Erreger mutieren kann. Massenimpfungen sind deshalb bis auf weiteres noch nötig. Zudem ist das Virus in Afghanistan und Pakistan weiterhin virulent und kann von dort jederzeit wieder in andere Teile der Welt verschleppt werden. Schließlich ist das Poliovirus nur einer von zahlreichen Erregern, die vor allem in Afrika ihr Unwesen treiben: Ebola, HIV, Gelbfieber sowie der Malariaparasit, um nur die schlimmsten zu nennen. Und neuerdings natürlich auch: Corona.

Dabei scheint Afrika bei der jüngsten Pandemie überraschend gut abzuschneiden. Die Zahl der Neunansteckungen nimmt bereits ab: Mit 1,2 Millionen Corona-Infizierten – davon mehr als die Hälfte in Südafrika – kam der Kontinent zumindest bisher noch glimpflich davon. Die Gründe dafür steht noch nicht fest: Sicher ist nur, dass es nicht an der Stärke der Gesundheitswesen der afrikanischen Staaten lag. Denn die sind so schlecht wie schon immer befürchtet.

Gefahr noch nicht gebannt

Deshalb darf das glückliche Abschneiden des Kontinents nicht zum Anlass genommen werden, dessen Gesundheitssysteme jetzt alleine zu lassen. Von ihm hängt es ab, ob dem Coronavirus schließlich doch noch eine "Invasion" gelingt – und ob HIV, Ebola oder Malaria endlich ihr verheerender Einfluss auf den Kontinent genommen wird. Die jüngste Malariaforschung zeigt, dass man mit politischem Willen und etwas Geld im Kampf gegen Parasiten und Viren durchaus erfolgreich sein kann.

Das Ringen gegen Epidemien, die nicht Corona heißen, ließ im vergangenen halben Jahr eher nach: Aus Angst vor Covid-19 wagten sich HIV-Infizierte nicht mehr in Krankenhäuser, um ihre antiretroviralen Medikamente zu holen. Gleichzeitig wurden Impfkampagnen gegen Masern, Hepatitis oder Tetanus abgebrochen, weil alle Kräfte für den Kampf gegen Corona nötig waren. Dabei gilt auch für Ebola, HIV, Malaria oder das Dengue-Fieber, was für Polio galt: Solange der Erreger nicht auch in Afrika besiegt ist, ist die Gefahr nirgends gebannt. (Johannes Dieterich, 26.8.2020)