Bilder wie dieses gingen im Mai 2019 um die Welt: Eine Menschenschlange schiebt sich den Mount Everest hinauf, die jede Bergsteigerromantik vergessen lässt. 36 Menschen starben in der überbuchten Klettersaison des Vorjahres.
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Eine Wahrscheinlichkeitsberechnung, die nur auf den ersten Blick nicht aus dem alltäglichen Leben gegriffen scheint, haben US-amerikanische Forscher angestellt: Wie hoch sind die Chancen, im ersten Versuch den Gipfel des Mount Everest zu erklimmen? Wenn man sich an die Bergsteigermassen erinnert, die sich 2019 schlagzeilenträchtig knapp unterhalb des Gipfels die Beine in den Bauch standen, sieht man jedoch, dass dieses Szenario gar nicht so wenige Menschen betrifft.

Und die gute Nachricht für jene, die in immer größerer Zahl den höchsten Gipfel der Welt besteigen wollen, lautet: Sie haben heutzutage doppelt so hohe Erfolgschancen wie noch vor etwa 20 Jahren. Wie aus den Daten des Expeditionsarchivs "Himalayan Database" hervorgeht, schaffte es zwischen 1990 und 2005 knapp ein Drittel der Bergsteiger in der Hauptsaison beim ersten Versuch auf den Gipfel des Everest. Zwischen 2006 und 2019 waren es dagegen etwa zwei Drittel.

Die Studie, die im Fachjournal "PLOS One" veröffentlicht wurde, beinhaltet allerdings auch einen Wermutstropfen: Die Todesrate blieb nahezu unverändert und lag in beiden Zeitabschnitten um etwa ein Prozent.

Warum die Chancen heute besser sind

Mögliche Gründe für die höhere Erfolgswahrscheinlichkeit sind laut Ko-Autor Raymond Huey von der University of Washington unter anderem bessere Wettervorhersagen. Diese erlauben es Bergsteigern, gute Zeitfenster für den Gipfelvorstoß zu finden. Zudem nutzten Bergsteiger heute häufiger Sauerstoffflaschen – und zwar bereits ab geringerer Höhe. Ferner gebe es auf den gängigen Routen vermehrt verankerte Seile. Zur höheren Erfolgsrate könnte aber auch die größere Erfahrung der Helferteams beitragen, die die Alpinisten den Berg hinaufführen und ihr Gepäck tragen.

All dies könnte dazu führen, dass die Erfahrung von Bergsteigern an Bedeutung verliere, so die Forscher. Der Studie zufolge hatten jene Bergsteiger, die den Gipfel zwischen 2006 und 2019 in Angriff nahmen, tendenziell weniger Erfahrung als die, die es zwischen 1990 und 2005 versuchten. Inzwischen kamen schon ein 80-Jähriger, ein 13-Jähriger und ein Blinder auf den Everest.

Demografische Tendenzen

Auch das Alter spielt eine Rolle: Generell schaffen es jüngere Bergsteiger zwar eher als ältere auf den Gipfel und wieder zurück. Doch ältere Bergsteiger haben heute deutlich bessere Chancen als früher: Ein 60-Jähriger etwa hat den Berechnungen der Forscher zufolge heute eine ähnlich hohe Erfolgschance wie ein 40-Jähriger in der früheren Zeitperiode – konkret rund 40 Prozent.

Die große Mehrheit der Everest-Bergsteiger sind Männer. Aber in den vergangen 30 Jahren haben zunehmend auch Frauen den Gipfel erklommen. Zwischen 1990 und 2005 waren es gut neun Prozent, zwischen 2006 und 2019 rund 15 Prozent. Die Chance, den Gipfel zu erreichen, lag für Frauen sogar noch etwas höher als für Männer: Von den Frauen schafften dies im Zeitraum von 2006 bis 2019 gut 68 Prozent, von den Männern gut 64 Prozent. (red, APA, 28.8.2020)