Allzu sorgloser Umgang mit Pandemieregeln: Phil Hogan.

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Nach einem halben Jahr verliert EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen Schlüsselmann im Team. In der Nacht auf Donnerstag hat der für Außenhandel zuständige Phil Hogan offiziell seinen Rückzug erklärt.

Der 60-jährige Ire war schwer unter Druck gekommen, weil er bei einem Heimatbesuch ab Ende Juli gleich mehrfach gegen die Pandemie-Auflagen verstoßen hatte. Die Anti-Corona-Maßnahmen der Regierung sind dort besonders streng. So muss man nach einer Einreise zwei Wochen in Quarantäne bleiben, auch wenn man ein negatives Testergebnis vorweisen kann.

Ein solches hatte Hogan zwar in der Tasche. Aber er nahm an einer Jubiläumsfeier in einem Golfklub teil, bei der 80 Leute anwesend waren – mehr als das vorgeschriebene Limit. Oder er holte vor dem Rückflug nach Brüssel Unterlagen aus seiner Wohnung in einem Gebiet ab, das zu dem Zeitpunkt mit besonders strikten Beschränkungen belegt war. Der Handelskommissar hatte seine Fehler eingeräumt, sich entschuldigt. Vor der Golffeier hatte er sogar angefragt, ob die Bestimmungen eingehalten werden, aber der Veranstalter hielt sich nicht daran. Sein öffentliches Bedauern half wenig. Hogan wurde von Premierminister Micheál Martin abwärts der Rücktritt nahegelegt. Zuvor war der irische Landwirtschaftsminister zurückgetreten, der ebenfalls gegen Corona-Regeln verstoßen hatte.

"Unausweichlicher" Schritt

Kommissionspräsidentin von der Leyen sagte, der Schritt ihres Handelskommissars sei "unausweichlich" gewesen, weil gerade Kommissare sich an geltende nationale wie regionale Regeln halten müssten wie normale Bürger auch. Sie dankte ihm für seine "unermüdliche und erfolgreiche Arbeit".

Unter vorgehaltener Hand gibt es in der Kommission aber auch Kritik an der Präsidentin, weil sie nicht einmal den Versuch unternommen habe, sich für ihren Handelskommissar starkzumachen. Nun sieht es so aus, als könnte ein Mitglied der EU-Zentralbehörde von einer nationalen Regierung einfach per Zuruf aus dem Amt entfernt werden. Die Unabhängigkeit von Kommissaren von nationaler Politik – und deren Intrigen – ist eines der wichtigsten Dinge. Dazu kommt, dass Hogan nicht ganz einfach so kompetent ersetzbar ist, noch dazu kurz vor den US-Wahlen.

Der Ire war ein bewährter Troubleshooter, angesehen bei Gesprächen über viele laufende Handelsvereinbarungen wie 2019 bei der Abwendung von Sanktionen durch Präsident Donald Trump. Bis Dezember 2019 diente er unter Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker als Agrarkommissar.

Viele Nachfolgekandidaten

Nun liegt es an der Regierung in Dublin, einen Nachfolger zu nominieren. Von der Leyen will zwei Kandidaten sehen, eine Frau und einen Mann. Sie entscheidet dann, wen sie dem Europäischen Parlament zur Anhörung vorschlägt bzw. mit welcher Zuständigkeit sie die Neue oder den Neuen betraut. Dass sie ihr Kommissarsteam umbaut, gilt aber als wenig wahrscheinlich.

Als Favoriten gelten die irischen Ex-Premiers Enda Kenny und Leo Varadkar, Konservative wie Hogan, der bei der Fine-Gael-Partei auf eine lange Karriere zurückblickt. Auch die EU-Abgeordnete Maired McGuiness und Außenminister Simon Coveney sind im Rennen, so wie der frühere EU-Botschafter in Washington, David O’Sullivan. (Thomas Mayer, 27.8.2020)