Das Cover des neuen Albums: geballte schwarze Faust auf schwarzem Grund.

Foto: Sault

Sault sind 2019 mit den Alben 5 und 7 aus dem Nichts aufgetaucht. Sie zählen seither als sichere Anwärter für diverse Jahresbestenlisten. Eingedenk der Tatsache, dass man in den Verbreitungskanälen von Social Media am besten dadurch auffällt, dass man zwar dabei ist, aber Informationen verweigert, haben Sault kein Gesicht, keine Fotos, keine Liveauftritte, keine Hintergrundstorys. Dafür wird allerdings jede Menge Protest geboten, ganz zu schweigen von gegenwartsrelevanter Musik.

Auch das neue, parallel zu Black Lives Matter aufgetauchte Album Untitled (Black Is) besticht durch diese Vorgehensweise. Auf dem Cover des Albums sieht man eine geballte schwarze Faust vor schwarzem Hintergrund. Keine weiteren Informationen, auf der Homepage von Sault liest man nur diesen Zusatz:

"Wir präsentieren unser Album Untitled, um damit einen Moment zu markieren, in dem wir als schwarze Menschen und als Menschen schwarzer Herkunft um unsere Leben kämpfen. Ruhet in Frieden, George Floyd und all jene, die unter Polizeigewalt und systemischem Rassismus leiden. Es verändert sich gerade etwas … Wir bleiben dran. SAULT x."

Sault - Topic

Obwohl das Album etwa auch bei iTunes erhältlich ist, demütigt man das System auf der Homepage von Sault: Der Download ist hier gratis zu kriegen. Bei Sault wird nicht kunterbuntes Lalelu und Selbstermächtigungs-Bling-Bling verhandelt, hier geht es um Politik sowie Pop als eigentlich schon länger zur Seite gelegtes massentaugliches Instrument der weltweiten Verbreitung.

Black Lives Matter wird zu Black Power. Der Soundtrack des Widerstands gegen Rassismus und Unterdrückung als globale Phänomene manifestiert sich eine Stunde lang in 20 Songs und Stücken. So viel ist immerhin halbwegs gesichert: Der im Hintergrund werkelnde Produzent Dean "Inflo" Wynton Josiah, der durch seine Zusammenarbeit mit dem britischen Soulmusiker Michael Kiwanuka bekannt wurde, unternimmt für die gesellschaftspolitisch hochaufgeladenen Songs einen Streifzug durch die Geschichte afroamerikanischer Musik.

Die Revolution wird kommen

Neben Gesangsbeiträgen von Kiwanuka sowie Soulsängerin Cleo Sol und Rapperin Kid Sister hört man nicht nur zwischengeschnittene Polizeisirenen, Demonstrationschöre und Spoken-Word-Passagen, die zurück in die 1960er-Jahre zu Malcolm X und den Black Panthers führen oder im Song Wildfires auf den ermordeten George Floyd verweisen: "We all know it was murder. Murder, murder, murder …"

Seaside Station

Auch Grassroots-Aktivistin und Dichterin Laurette Josiah ist im Gegensatz zu der meist zornigen und düsteren Grundstimmung des Albums mit dem Spoken-Word-Stück This Generation zu hören. In diesem glimmt ein kleiner Funken Hoffnung und Mut: "We’ve walked the walk / We have talked the talk / Nobody’s listening / Nobody listened / Nobody cared / Nobody cared / This generation cares."

Ansonsten wird in Stücken wie Black Is, Bow oder Stop Dem ein weiter Bogen von Field Songs und Blues und Doo-Wop herauf über rumpeligen Soul und Funk bis hin zu Hip-Hop, Afrobeat oder aktueller Bass- und digitaler Spielhallenmusik gespannt. Der Grundton bleibt allerdings großteils minimalistisch und gefällig. Er vermittelt harte Inhalte auf einnehmende Art: "Revolution has come! Still won’t put down the gun." Ein Album des Jahres. (Christian Schachinger, 28.8.2020)