Der Kanzler ist wieder da – und das sollte die gesamte Nation so richtig mitbekommen: Nach kurzer sommerlicher Absenz meldete sich Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag mit einer Rede zur Lage inmitten der Pandemie für den politischen Herbst zurück. Zuvor wurden die Medien tagelang auf den großen Auftritt vorbereitet: Schon zur Wochenmitte verkündete das Kanzleramt unter Berufung auf ungenannte Experten, dass Kurz eine Rückkehr zur Normalität bis nächsten Sommer verheißen wird – parallel dazu wurden die Schwerpunkte der Rede zur anstehenden Regierungsarbeit lanciert.

Lange Rede, kurzer Sinn: Wegen der Corona-Krise bereitete Kanzler Kurz die Bevölkerung auf neue Einschränkungen in der trüben Jahreszeit vor. Gleichzeitig versuchte er Zuversicht für Wirtschaft und Gesellschaft zu versprühen.
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Um 10.30 Uhr war es so weit. Der Kanzler, seit Corona-Zeiten stets mit mehreren Regierungsmitgliedern an seiner Seite, hob diesmal allein im Kongresssaal am Ballhausplatz zu den Plänen von Türkis-Grün an. Während dieser halben Stunde saß, wie die Frisur, jeder seiner Sätze. Einfühlsame Durchhalteparolen für die kalte Jahreszeit ("Es gibt Licht am Ende des Tunnels") wechselten sich ab mit zuversichtlichen Versprechen, dass Österreichs Wirtschaftsmotor bald wieder anspringen werde. Viele Details blieb Kurz jedoch schuldig (siehe Infobox unten).

Immerhin: Angesichts der immer heftiger werdenden Kritik an den vom Gesundheitsministerium erlassenen Verordnungen sowie den anvisierten Gesetzen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie versprach der Kanzler demokratiepolitische Verbesserungen. Im Zuge seiner Ansprache an die Bevölkerung nahm Kurz das vom grünen Koalitionspartner Rudolf Anschober geführte Ressort in Schutz, aber: Für den Fall, dass es wieder zu schärferen Maßnahmen der Behörden gegen eine Ausbreitung des Virus kommen müsse, kündigte er eine stärkere Einbindung des Parlaments an.

Mit neuem Gesetz durch die Krise

Konkret soll der ständige Unterausschuss des Hauptausschusses im Hohen Haus eingebunden werden, also Vertreter aller Parteien. Zuvor hatte die Opposition heftige Kritik an den geplanten Novellen zum Covid-19-Maßnahmen- und Epidemiegesetz geübt. Anschober hatte angekündigt, die Klubobleute zu Gesprächen einzuladen, Kurz versicherte, das Gesundheitsressort greife auch auf den Verfassungsdienst zurück.

Darüber hinaus kündigte Kurz ein Krisensicherheitsgesetz an, das die Zusammenarbeit der Behörden sowie nötige Beschaffungen erleichtern soll, denn: "Corona hat das letzte halbe Jahr uns als Politik sehr herausgefordert und viele Institutionen an ihre Grenzen gebracht." Mit dem Gesetz will er Österreich auch für Terror- und Cyberangriffe rüsten – dazu kamen weitere Schwerpunkte. (nw)

1. Wirtschaft: Nach Einbruch Comeback im nächsten Jahr

Der Wirtschaft stellte der Kanzler für 2021 ein Comeback in Aussicht: "Dieses Jahr werden wir knapp sieben Prozent unserer Wirtschaftskraft einbüßen", räumte Kurz ein. Nächstes Jahr werde das Wachstum zurückkehren und das Comeback beginnen, das der Kanzler mit flankierenden Maßnahmen unterstützen will. Dazu zählt etwa die Vermittlung Arbeitsloser in Zukunftsbranchen wie Digitalisierung und Pflege, was jedoch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian als zu wenig für den Arbeitsmarkt ansieht. Zudem soll ein Gründerpaket eine neue Körperschaftsform, Austrian Limited, für unbürokratische Gründungen bringen. Von den Sozialpartnern fordert Kurz Vorschläge für eine bessere gesetzliche Grundlage für Homeoffice. Dies müsse für Arbeitnehmer aber auf freiwilliger Basis erfolgen, betonte darauf die Arbeiterkammer. Die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung lobten das Paket. (aha)

2. Bildung: Mehr und weniger Überraschendes

Die Schulschließung sei für alle eine "massive Herausforderung" gewesen, sagt der Kanzler. Dass man damals, als der Unterricht in den Klassen ausgesetzt wurde, das Wort "Schließung" tunlichst vermeiden wollte – ein Betreuungsangebot war aufrecht –, ist Schnee von gestern. Sollte es wieder zum Homeschooling kommen, verspricht Kurz, "alles zu tun", um nicht wieder Kinder komplett zu verlieren, nämlich: Schulen, die besonders zu kämpfen hatten, sollen "mit administrativem und psychologischem Personal" unterstützt werden. Ersteres ist nicht neu, sondern wurde bereits im Juni als Zusammenarbeit mit dem AMS verkündet. Letzteres ist so neu, dass auch das Bildungsressort nicht sofort weiß, was gemeint ist. Später heißt es, es werde bereits daran gearbeitet. Ebenfalls überraschend und in Unikreisen gar nicht gut angekommen: die Gründung einer neuen Technik-Uni in Linz – "noch in dieser Legislaturperiode". (riss)

3. Corona: In einem Jahr soll alles wieder normal sein

Obwohl die Zahl der Infektionen wieder steigt, versuchte sich Kurz in Optimismus: Er gehe davon aus, dass der Sommer 2021 "ein normaler" wird. Neue Behandlungen, Testmethoden und die Forschung an einem Impfstoff werden laut dem Kanzler zu einer Normalisierung führen.

Um dem demokratiepolitischen Konfliktpotenzial zu begegnen, will Kurz den Hauptausschuss des Nationalrats in die Erarbeitung der Corona-Maßnahmen einbinden. Auch auf die Opposition soll stärker zugegangen werden. Das Gesundheitsministerium werde in Zukunft die Expertise des Verfassungsdienstes nutzen. Es gelte, einen zweiten Lockdown jedenfalls zu verhindern. Dafür werde die Situation ständig evaluiert. Eine Impfpflicht hat Kurz dezidiert ausgeschlossen.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch findet es "lachhaft", wenn Kurz "als selbsternannter Heilsbringer und Virusexperte auftritt". (sefe) (28.8.2020)