Der Lärm von Presslufthammern durschneidet die Luft. Männer in Bauuniformen rufen einander Anweisungen zu, ein Kran hievt Rohre und Fundamentteile über den Platz. Vom Corona-Ausnahmezustand ist auf der Baustelle in der Stadionallee in Wien wenig übrig. Bis zum nächsten Jahr soll dort ein Niedrigenergiehaus der TU Wien entstehen, weitgehend energieautark, mit einer 520 Quadratmeter großen Photovoltaikanlage. Mehr als elf Millionen Euro investiert man in das neue Büro- und Laborgebäude.

Thomas Rührlinger entwickelt die Wasserstoffstrategie bei Fronius mit. "Wasserstoff wird in der Energiewende eine bedeutende Rolle spielen."
Foto: Jakob Pallinger

Das Bauprojekt könnte als eines von vielen Beispielen für den sogenannten "grünen Wiederaufbau" herhalten. Gemeint ist, die Wirtschaft nach Corona durch Investitionen anzukurbeln und gleichzeitig grüner und nachhaltiger zu gestalten. Für diesen Wiederaufbau plädieren NGOs, Wissenschafter, Politiker und Unternehmer seit Monaten. Während im Vordergrund Milliardenförderungen angekündigt werden, geht es dahinter um weit mehr: Was genau soll wiederaufgebaut, was ausgetauscht oder umgebaut werden? Und wie könnte ein solcher Wiederaufbau konkret aussehen?

750 Milliarden Euro

Die Summen klingen gewaltig: 750 Milliarden Euro will die EU in den nächsten Jahren für den Corona-Aufbaufonds verwenden, 19 Milliarden Euro werden in Österreich für das Konjunkturpaket aufgewendet. Unternehmer sollen wieder zum Investieren angeregt werden, gleichzeitig sollen erneuerbare Energien, der öffentlicher Verkehr und die Gebäudesanierung gefördert werden.

Noch haben die Maßnahmen wenig an den Problemen geändert, gegen die sie gerichtet sind. Die Zahl der Arbeitslosen ist in Österreich im Juli im Vergleich zu den vorangegangenen Monaten nur leicht auf 432.000 Personen zurückgegangen und wird laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut IHS auch noch die nächsten Jahre hoch bleiben.

"Keine Trendwende"

Das Bruttoinlandsprodukt könnte dieses Jahr mehrerer Schätzungen zufolge um mehr als sieben Prozent einbrechen. Lediglich die CO2-Emissionen sind innerhalb der vergangenen Monate gesunken. Aus der Vergangenheit weiß man aber, dass diese bei Erholung der Wirtschaft und des Konsums rasch wieder ansteigen können. "Die große Trendwende sehe ich in den Programmen noch nicht", sagt Sigrid Stagl von der Wirtschaftsuniversität Wien. In der Wirtschaftsgeschichte habe es aber immer wieder strukturellen Wandel gegeben und gebraucht. "Nicht alle Arbeitsplätze können und sollen dabei erhalten bleiben."

"Nur wenn sich die Emissionsintensität und der Energieverbrauch dauerhaft deutlich verringern, werden auch die CO2-Emissionen dauerhaft sinken", meint Angela Köppl vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Eine relative Entkoppelung zwischen Wirtschaftswachstum und CO2-Emissionen ließe sich über die Zeit zwar beobachten, aber die absoluten Emissionsmengen weisen keine Trendumkehr auf, weil das BIP-Wachstum und der Ressourcenverbrauch die relative Verbesserung kompensiert haben.

Schrittweise Änderungen

Statt systemischer Transformation ist der ‚grüne Wiederaufbau‘ aus regierungspolitischer Sicht vor allem eine Frage von schrittweisen Investitionen und Innovationen. Unternehmen sollen wieder mehr investieren, am besten in klimafreundliche Technologien, unterstützt durch großzügige Investitionsprämien.

Die neuen Anreize sind an den Unternehmern nicht spurlos vorübergegangen. Während die einen noch tief in der Corona-Wirtschaftskrise stecken, basteln die anderen an neuen Projekten. Diese dienen nicht nur dem unternehmerischen Wachstum, sondern könnten auch einen kleinen Beitrag zur Energiewende leisten. Drei Beispiele, bei denen sich der "grüne Wiederaufbau" im Kleinen abspielt.

Für Christian Holter beginnt alles mit der Sonne. Zum Beispiel auf einer großen Wiese im Süden von Graz, bedeckt von dutzenden Kollektoren aller Art: Flächen-, Röhren- und Rinnenkollektoren aus Deutschland, Dänemark, Schweden und einigen anderen Ländern.

Internationale Testanlage

Es ist eine internationale Testanlage für die Solarenergie. "80 Grad, 160 Watt Sonneneinstrahlung", liest Holter von der Messstation eines Kollektors ab. Bis zu 25 Prozent könne die Leistung zwischen den einzelnen Kollektoren variieren. Energie aus der Sonne zu gewinnen ist für Holter vor allem eine Frage des Wettbewerbs – und der großen Ideen.

Holter ist Mitarbeiter und ehemaliger Geschäftsführer des steirischen Solarunternehmens Solid. Das Unternehmen ist darauf spezialisiert, große Solaranlagen zur Erzeugung von Wärme und Kälte zu planen und umzusetzen. Die Idee ist einfach: Im Sommer produzieren Solaranlagen Wärme, die in Wasserbecken gespeichert wird. Im Winter, wenn die Sonneneinstrahlung am geringsten und der Wärmebedarf am höchsten ist, kann die gespeicherte Wärme Häuser und Wohnungen in Städten beheizen. Gleichzeitig kann die Wärmeenergie der Sonne auch zur Kühlung von Gebäuden verwendet werden.

Teure Wärme und Kälte

"In der öffentlichen Diskussion wird fast immer vergessen, dass Wärme und Kälte etwa die Hälfte des Energiebedarfs in der EU ausmachen", sagt Holter. Durch den hohen Energiebedarf in der Wärmeerzeugung sei der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas besonders schwierig. Zusätzlich müsse man bei Erneuerbaren mit saisonalen Schwankungen umgehen. Seine bisherigen Projekte reichen über eine Solarkühlungsanlage für eine Schule in Arizona, USA, sowie für ein Krankenhaus in Managua, Nicaragua, bis zu einer Erweiterung einer Solargroßanlage in Mürzzuschlag.

Ecop-Gründer Bernhard Adler: "Diese Maschine zu bauen war meine bisher größte Herausforderung."
Foto: Jakob Pallinger

Aber mit seinen großen Vorhaben hat sich das Unternehmen auch schon verzettelt. Vergangenes Jahr schlitterte das Unternehmen in die Insolvenz, nachdem ein großes Solarwärmeanlagen-Projekt mit einer dänischen Firma scheiterte. "Das hat uns gezeigt, wie hart die Konkurrenz am Solarmarkt sein kann", meint Holter dazu.

Schon vor der Corona-Krise hat sich das Unternehmen neu aufgestellt, einige Mitarbeiter abgebaut und neu strukturiert. In den nächsten Jahren sollen vor allem Projekte in Osteuropa und Österreich entstehen und Fernwärmenetze in einigen Städten auf Erneuerbare umgerüstet werden. Für die Zukunft ist Holter optimistisch: "Das Bewusstsein für den Klimaschutz ist deutlich gestiegen. Ich hoffe, das bleibt so."

Vorzeigeprojekt

Das Vorzeigeprojekt eines anderen Unternehmens wirkt von außen wenig spektakulär. Ein schwarzer Container neben dem Betriebsparkplatz, mit einer Zapfsäule und Photovoltaikanlage auf dem Dach. "Zisch", stößt der Betankungsschlauch aus, in wenigen Minuten ist das Auto vollgetankt. "Grüner Wasserstoff", erklärt Thomas Rührlinger, der die Zapfsäule bedient. 600 bis 800 Kilometer könnte er nun mit dem Auto zurücklegen.

Die Wasserstoff-Tankstelle gehört zu dem oberösterreichischen Technologieunternehmen Fronius. Am Standort in Thalheim bei Wels wird mit der Brennstoffzelle experimentiert, drei Fahrzeuge können im Betrieb mit Wasserstoff betankt werden. "Wasserstoff wird in der Energiewende eine bedeutende Rolle spielen", ist Rührlinger überzeugt, der die Wasserstoffstrategie des Unternehmens mitentwickelt – allerdings nur, wenn er "grün" sei, das heißt, mit Strom aus erneuerbaren Energien produziert wird.

Nur fünf Wasserstoff-Tankstellen

Wasserstoff kann durch Elektrolyse aus Wasser und Strom erzeugt werden. Die Vorteile kann Rührlinger im Schlaf aufsagen: Energie saisonal speichern und ganzjährig nutzen, mehr Reichweite in Fahrzeugen als bei der Batterie, weniger Betankungszeit. In der Mobilität spielt Wasserstoff in Österreich trotzdem kaum eine Rolle. Nur fünf öffentliche Wasserstoff-Tankstellen gibt es im Land, kaum Autos, die allein mit Wasserstoff betrieben werden.

"Natürlich gibt es auch einige Nachteile", gesteht Rührlinger. Weil für die Erzeugung von Wasserstoff Energie benötigt wird, geht im Vergleich zur Elektro-Batterie ein nicht geringer Teil der Energie verloren. Global gesehen wird der Großteil des Wasserstoffs mit fossilen Energien hergestellt, wodurch wieder Treibhausgase frei werden. Nicht zuletzt muss Wasserstoff für den Transport unter hohem Druck oder flüssig in vakuumisolierten Behältern gelagert werden. "Wasserstoff wird vor allem im Schwerverkehrsbereich und in der Industrie eine Rolle spielen", meint Rührlinger.

Neue Nutznießer

Mit der Wasserstoffstrategie könnte das Unternehmen trotzdem noch Nutznießer aktueller Entwicklungen werden. In der EU soll erneuerbarer Wasserstoff als alternativer Energieträger und -speicher aufgebaut werden. Die deutsche Bundesregierung hat vor kurzem angekündigt, neun Milliarden Euro in den Bau von Wasserstoffanlagen zu investieren. Und auch in Österreich soll im Herbst ein Konzept vorgestellt werden, mit dem der Wasserstoff für die Industrie, Speicherung und Mobilität gefördert werden soll.

"Dann brauchen wir Energiegemeinschaften und einen stärker dezentralisierten PV-Ausbau", meint Rührlinger. Er blickt zur kleinen PV-Anlage auf dem Dach der Fronius-Tankstelle und schmunzelt: "Nur mit diesen Solarzellen ginge sich nicht einmal die Wasserstoffproduktion in unserer eigenen Tankstelle aus."

Für Solid-Mitarbeiter Christian Holter beginnt alles mit der Sonne. "Das Bewusstsein für den Klimaschutz ist deutlich gestiegen. Ich hoffe, das bleibt so."
Foto: Jakob Pallinger

Die Produktionshalle eines jungen Start-ups könnte der Traum eines jeden Tüftlers sein: In den Regalen sind Schrauben, Bohrmaschinen, Schläuche und Rohre fein säuberlich eingeschlichtet, dazwischen hängen Projektskizzen an blauen Magnettafeln. "Diese Maschine zu bauen war meine bisher größte Herausforderung", sagt Bernhard Adler. Er steht vor einer Stahlkonstruktion, die an ein überdimensioniertes Wasserrad erinnert: Dutzende Rohre in unterschiedlicher Stärke formen eine 16 Tonnen schwere Anlage. 13 Jahre lang hat Adler an dieser Maschine gearbeitet.

Rotationswärmepumpe nennen er und seine 16 Mitarbeiter ihr Produkt. Es gehört zu dem Technologie-Start-up Ecop, das sich in Neuhofen an der Krems in Oberösterreich befindet. Eine Handvoll internationale und nationale Preise hat das Unternehmen dafür bereits eingeheimst, insgesamt 66 Patente dafür erteilt.

Energie sparen

Die Maschine sei ein Hochleistungs-Wärme- und Kälte-Erzeuger, sagt Adler, die vor allem in der Industrie, etwa bei der Lebensmitteltrocknung, Ziegelherstellung oder chemischen Industrie zum Einsatz kommen soll. Statt treibhausgaserzeugenden Kältemitteln verwende die Wärmepumpe ein umweltfreundliches Gas, sei dadurch leistungsstärker und effizienter. "Wärme zu erzeugen braucht in der Industrie einen Großteil der Energie. Diesen Energieverbrauch zu reduzieren war mein Hauptantrieb für dieses Projekt", meint Adler.

Anders als Adler’s industrielle Rotationswärmpumpe erleben Wärmepumpen auch in Haushalten einen Aufschwung. "Viele hatten in den vergangenen Monaten Zeit und Geld, sich mit ihrer Heizung zu beschäftigen", sagt Martin Hagleitner, Geschäftsführer des steirischen Heizungs- und Warmwasser-Unternehmens Austria Email.

Wachsende Umsätze

Das Unternehmen musste bisher keine Kurzarbeit anmelden und rechnet in diesem Jahr sogar mit einem Umsatzzuwachs. Der Hersteller profitiert unter anderem von den staatlichen Förderungen zum Ausstieg aus Ölheizungen, die Teil der sogenannten Sanierungsoffensive der Regierung sind.

"Viele verwechseln die Energiewende mit einer Stromwende", sagt Adler von Ecop. Es müsse aber jede Energieform erneuerbar gemacht werden. Der 37-Jährige will seine Maschine serienreif machen – und neue Anwendungen für Kälteanlagen finden. Kürzlich erhielt er zwei Millionen Euro EU-Förderung. "Damit hat unsere Entwicklung einen ordentlichen Schub erhalten." (Jakob Pallinger, 30.8.2020)