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Es gab Zeiten, da traten Kurz und Anschober gemeinsam vor die Presse.

Foto: REUTERS

Angela Merkel spricht ihren Ministerinnen und Ministern gern dann ihr "volles" oder auch "vollstes" Vertrauen aus, wenn diese politisch in die Bredouille geraten sind. In vielen Fällen hat sich das nicht als Überlebensgarantie für das Zielobjekt des Vertrauens der deutschen Kanzlerin erwiesen.

Kurz vertraut Anschober

Nun hat auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach seiner Rede zur Corona-Lage der Nation am Freitag ein grünes Regierungsmitglied im STANDARD-Interview wissen lassen: "Der Gesundheitsminister genießt mein Vertrauen." Ungeachtet der Kritik an einigen Corona-Verordnungen aus Rudolf Anschobers Ressort gelte: "Wir arbeiten in der Bundesregierung sehr gut zusammen. Alle Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie werden gemeinsam entschieden und in gewohnter Weise gemeinsam verkündet."

Nicht gemeinsam, sondern auch allein wie Kurz reagiert nun auch der Koalitionspartner auf die koalitionären "Arbeitsschwerpunkte", wie Kurz sie in seiner "Erklärung" bezeichnet hatte. Anschober hat für Dienstag quasi die grüne Variante einer Corona-Regierungserklärung vor der Herbstetappe angekündigt oder, wie es heißt, eine "Erklärung am Beginn der großen Herausforderungen der kommenden Monate".

Vorher hat Kurz als ÖVP-Chef übrigens noch die ORF-Sommergespräche am Montagabend als Bühne zur Exemplifikation seiner Pläne.

Keine Replik

Anschober zufolge soll seine Rede keine Replik auf Kurz werden, sondern sein Thema sei der "Start von Phase 4 bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie in Österreich".

Zentrale Steuerungselemente dabei sind die Änderungen am Epidemiegesetz und am Covid-19-Maßnahmengesetz, deren Begutachtungsfrist am Freitag endete – und an denen auch der Verfassungsdienst im Kanzleramt grobe Unklarheiten kritisiert. Die Rechtsexperten stoßen sich beim Betretungsverbot – der Schlüsselstelle der Novelle – an der unklaren Definition von "bestimmten" und "öffentlichen" Orten. Anschober reagiert mit der Novelle auf die Aufhebung großer Teile der Bestimmungen zu den Ausgangsbeschränkungen durch den Verfassungsgerichtshof.

Die jetzige Kritik des Verfassungsdiensts weist man im Anschober-Ressort übrigens zurück. Die Sprecherin des Ministers sagte, dass der Verfassungsdienst eingebunden gewesen sei. Laut APA-Informationen sollen die Verfassungsexperten tatsächlich schon vor der parlamentarischen Begutachtung auf ihre Bedenken hingewiesen haben. Diese wurden aber offenbar nicht berücksichtigt. Anschober selbst jedenfalls wandte sich am Sonntag dann auch gegen "künstliche parteipolitisch motivierte Aufgeregtheit, die der Sache schadet". Er will heute, Montag, über die geplanten Gesetzesänderungen mit den Klubobleuten der Parlamentsparteien sprechen.

Transitweg für Pflegerinnen

Zu beruhigen versucht der Gesundheitsminister aktuell noch in einer anderen Corona-Causa: Nachdem Ungarn am Freitag ankündigte, mit 1. September seine Grenzen zu schließen, meldete sich Anschober am Samstag via Twitter zu Wort: Man habe bereits erste Gespräche mit der ungarischen Regierung geführt und "bleibe dran".

Der aktuelle Stand sei: Es soll einen Transitkorridor für Pflegerinnen geben, diese sollen auch aus Ungarn ausreisen können. Allerdings müssten sie bei ihrer Rückkehr zwei Wochen in Quarantäne oder Testergebnisse vorlegen. "Noch nichts fix", betont der Minister allerdings.

Geht es nach den Ungarn, ist zumindest der Transitkorridor fix: Kanzleiminister Gergely Gulyas garantierte diesen schon am Freitag. (Lisa Nimmervoll, Gabriele Scherndl, 30.8.2020)