Mehr nachhaltige Energie, weniger fossile, lautet das Credo der Grünen. Wie die CO2-Abgabe aussehen soll, bliebt offen.

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Klimaschutz ist eines der Kernthemen beim heurigen Forum Alpbach. Auch die zuständige Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) ist zu Gast in Tirol und spricht darüber, wieso Österreichs Emissionen nicht mehr steigen dürfen.

STANDARD: Die ÖVP will Österreich zur Wasserstoffnation Nummer eins machen. Sie werben in Alpbach für die Technologie. Stimmen die Koalitionspartner hier doch überein?

Gewessler: Es war immer klar, dass Wasserstoff eine Rolle in der Energiewende spielen wird – aber es muss die richtige sein. Es ist ein sehr hochwertiger und auch sehr teurer Energieträger. Wir arbeiten im Ministerium an der Wasserstoffstrategie, die bis Jahresende fertig sein soll. In industriellen Anwendungen gibt es in vielen Fällen keine Alternative.

STANDARD: Und bei der Mobilität?

Gewessler: Hier gibt es für den Wasserstoff Nischenanwendungen – etwa beim Langstrecken- und Schwerverkehr. Volkswirtschaftlich ist es am sinnvollsten, Wasserstoff dort einzusetzen, wo man ihn am dringendsten braucht. Da haben wir große Aufgaben in der Industrie.

STANDARD: Bei Ihrem Staatssekretär klingt das anders. Er sagt, dass es bis 2030 100 Wasserstofftankstellen geben soll. Jetzt gibt es landesweit vier.

Gewessler: In der Individualmobilität ist der Weg in Europa klar in Richtung E-Mobilität, da gehen auch alle Hersteller hin. Das ist die effizientere Alternative.

Gewessler nahm am europäischen Forum Alpbach teil.
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STANDARD: Also keine 100 Wasserstofftankstellen bis 2030?

Gewessler: Wenn es im Schwerverkehr Einsatzmöglichkeiten dafür gibt, dann braucht man natürlich eine Infrastruktur.

STANDARD: Seit Monaten ist es still um die Ökosteuerreform. Gab es seit Februar weitere Treffen der Taskforce?

Gewessler: Wir arbeiten im Rahmen der Budgetvorbereitungen intensiv daran. Mir war klar, dass wir uns nach der Corona-Hochphase damit beschäftigen müssen, wie wir unsere Wirtschaft wieder stabilisieren. Deshalb haben die Konjunkturpakete eine deutliche Klimaschutzhandschrift. Wir haben derzeit so viel Geld im Klimaschutz wie noch nie in Österreich: Die Klimaschutzmilliarde, das Gemeindepaket, die Investitionsprämie. Die ist beim Klima doppelt so hoch und schließt fossile Investitionen aus – das ist ein völliges Novum in Österreich.

STANDARD: Können Sie skizzieren, wie die CO2-Abgabe aussehen wird?

Gewessler: In Europa ist mittlerweile klar, dass eine CO2-Bepreisung ein zentraler Hebel im Klimaschutz ist und sein muss. In der Steuerreform ist das für uns deshalb ein wichtiger Teil. Jetzt konzentrieren wir uns auf die sechs Maßnahmen der ersten Etappe, die zweite werden wir breiter diskutieren. Wir wollen mit allen Partnern eine Variante entwickeln, die die unterschiedlichen Pole abdeckt: eine klimapolitische Steuerungswirkung, soziale Gerechtigkeit und unterschiedliche regionale Voraussetzungen.

STANDARD: Was heißt das konkret?

Gewessler: Wir haben uns verschiedene Modelle angeschaut. Da stehen die intensiven Diskussionen erst an.

STANDARD: Bei den klimaschädlichen Subventionen wird der Ball zwischen Finanz- und Klimaschutzministerium hin und her gespielt. Nach wie vor gibt es keine Auflistung. Was ist so schwierig an der Erstellung der Liste?

Gewessler: Unser Ministerium hat seinen Teil gemacht ...

Laut Gewessler liegt der Ball in Sachen klimaschädliche Subventionen bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP).
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STANDARD: Laut Finanzressort wurde nur eine Wifo-Studie übermittelt.

Gewessler: Nein, es gab eine detailliertere Liste, die nicht nur die Wifo-Studie ist. Für die Diskussion zur Steuerreform ist die Liste sicher eine notwendige Basis. Die Hoheit für die finale Zusammenstellung liegt beim Finanzministerium.

STANDARD: Dort sieht man es anders.

Gewessler: Wir werden das lösen.

STANDARD: Das bundesweite 1-2-3-Ticket soll Mitte 2021 kommen, mit den anderen Stufen gibt es noch Probleme. Wann sollen diese folgen?

Gewessler: Das Ganze ist ein Meilenstein im öffentlichen Verkehr in Österreich, eine wirkliche Zeitenwende. Mir ist es wichtig, dass die österreichweite Stufe so rasch wie möglich wirksam wird. Parallel dazu arbeiten wir mit den Ländern an einem Fahrplan für die Umsetzung der regionalen Stufe. Bis zum Ende der Legislaturperiode wollen wir alle drei Säulen umgesetzt haben.

STANDARD: Bekanntermaßen sind Legislaturperioden in Österreich oft kürzer als vorgesehen.

Gewessler: Ich gehe von der vollen Periode aus – aber unabhängig davon, so schnell wie möglich. Es ist wirklich ein Herzensprojekt und jenes, auf das mich die allermeisten Menschen in Österreich anreden. Die freuen sich und warten darauf.

STANDARD: Nicht alle freuen sich, zum Beispiel der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Er sieht in dem Ticket eine "enorme Ungleichbehandlung". Was sagen Sie dazu?

Gewessler: Schon die österreichweite Stufe bringt ganz viel – auch für Menschen im Burgenland oder Niederösterreich, die nach Wien pendeln. Es bleibt ihnen mehr Geld im Börserl. Ich habe mit Landeshauptmann Doskozil auch ein Gespräch geführt, die weiteren Details wollen wir mit den Ländern kooperativ erarbeiten. Eine Ungleichbehandlung sehe ich da nicht.

STANDARD: Das Parlament hat beschlossen, dass sich Österreich auf EU-Ebene besonders stark für eine Nachschärfung der EU-Klimaziele einsetzen muss. Was halten Sie für realistisch?

Gewessler: Es ist enorm wichtig, mit Blick auf die Ziele des Green Deals und des Pariser Klimaabkommens, dass sich die EU dieses Jahr für höhere Klimaziele für 2030 verpflichtet. Die EU-Kommission skizziert bis September, was notwendig ist, um Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Die Wissenschaft ist klar: Es muss zumindest eine Treibhausgasreduktion von minus 55 Prozent bis 2030 sein.

Für Gewessler ist das 1-2-3-Ticket ein "Meilenstein".
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STANDARD: Auch die Volkspartei hat dem Vorschlag im Parlament zugestimmt. Für viele Grüne war das überraschend, auch für Sie?

Gewessler: Wir haben im Regierungsprogramm vereinbart, dass wir uns auf europäischer Ebene unter den Vorreitern positionieren. Selbstverständlich werden wir hier auch die entsprechenden Positionen vertreten.

STANDARD: Also wird Kurz Ihrer Meinung nach bei einem Minus von 55 Prozent mitgehen?

Gewessler: Ja, natürlich gehe ich davon aus.

STANDARD: Österreich soll bereits 2040 klimaneutral sein. Der Treibhausgasausstoß ist zuletzt gestiegen. Wie soll sich das ausgehen?

Gewessler: Das darf uns nicht mehr passieren. Deswegen sind wir in allen Bereichen aktiv – von der Frage der Dekarbonisierung der Industrie bis zur Energiewende und natürlich dem Verkehr. Da müssen wir an allen Hebeln drehen.

STANDARD: Klimaschutz war zuletzt eines der wichtigsten Wahlmotive, es gibt ein klares Interesse daran. Klimapolitik wird aber größtenteils hinter verschlossenen Türen beschlossen. Wieso?

Gewessler: Dem möchte ich widersprechen. Wir sind intensiv im Dialog mit einer großen Breite an Akteuren. Das wird sich im neuen Klimaschutzgesetz auch institutionell abbilden. Wir wollen einen Beirat verankern, der zivilgesellschaftliche und andere Stakeholder strukturell involviert. Und auch die Wissenschaft wollen wir auf eine neue Art in den Prozess holen.

STANDARD: Gerade bei der Erarbeitung der Ökosteuerreform ist wenig bis nichts zu hören.

Gewessler: Es war eine Enquete geplant, die wir Corona-bedingt verschieben mussten. Aber es geht hier um große gesellschaftliche Fragen, die muss man auch gemeinsam diskutieren.

STANDARD: Österreich zählt zu den sparsamen Vier. Durch die Ergebnisse des EU-Gipfels kommt es zu Kürzungen beim Just Transition Fund, der wichtig für die Klimawende ist. Statt 30 gibt es nur mehr zehn Millionen Euro. Spricht das nicht gegen den Green Deal?

Gewessler: Österreich hat sich auf allen Ebenen für einen starken Just Transition Fund eingesetzt. Am Ende ist so ein Budget immer ein Kompromiss. Es schmerzt, dass der Kompromiss dort gekürzt hat, wo wir Geld dringend brauchen – bei den Klimaschutzmitteln. Es bleibt trotzdem am Ende eine Aufstockung. 30 Prozent des EU-Budgets sind dem Klimaschutz gewidmet. Das sind enorme Schritte.

STANDARD: Nach der AUA-Rettung hätten Managerboni ausbezahlt werden sollen, auf die nun doch verzichtet wurde. Wieso wurde das nicht im Rettungspaket ausgeschlossen?

Gewessler: Wir haben beim AUA-Paket dezidiert ausgeschlossen, dass die Staatshilfe für Boni verwendet werden darf. Das ist im Vertrag zwischen Öbag-Cofag und der AUA geregelt. Deshalb hat Finanzminister Blümel die Vorstände auch unmittelbar dazu aufgefordert, die Boni zurückzuzahlen. Ich gehe davon aus, dass das auch passiert. Ich bin überzeugt davon, dass in einer Krise alle mithelfen müssen. Gerade die, die sehr gut verdienen, müssen ihren Beitrag leisten.

STANDARD: Die Opposition kritisiert, dass der Vertrag nicht offengelegt wird, wo doch Transparenz ein grünes Kernthema ist. Wieso passiert das nicht?

Gewessler: Der Vertrag liegt zwischen Öbag, Cofag und der AUA, und das hat jetzt aktuelle rechtliche Rahmenbedingungen. Mir ist wichtig, dass das, was wir vereinbart haben, auch umgesetzt wird. Mir geht es darum, die ökologischen Vereinbarungen, die wir getroffen haben, rasch umzusetzen.

"Wir haben beim AUA-Paket ausgeschlossen, dass die Staatshilfe für Boni verwendet werden darf", sagte Gewessler.
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STANDARD: Kritisiert wurde auch Ihre Bestellung von Karin Tausz zur Aufsichtsrätin der Austro Control.

Gewessler: Ich besetze in allen Beteiligungen, in denen ich die Aufgabe habe, Besetzungen vorzunehmen, hochkompetente, unabhängige Menschen. Das trifft gerade auf die Austro Control zu. Das ist eine Expertin mit einem wirklich beeindruckenden Lebenslauf, die viel in die Austro Control einbringen kann – gerade im Mobilitätsbereich. Ich freue mich, dass wir so gute und kompetente Menschen für die Positionen gewinnen können.

STANDARD: Die monierte Umfärbung gibt es also nicht?

Gewessler: Ganz klar nein. Wenn man sich die Lebensläufe und Hintergründe anschaut, dann sind das hochkompetente, unabhängige Menschen. Und darum geht’s: um kompetente Menschen für die anstehenden Aufgaben des Regierungsprogramms.

STANDARD: Frau Tausz wird auch als neue Chefin der Verkehrssektion gehandelt. Ist da was dran?

Gewessler: Es ist ein Besetzungsprozess, der noch nicht abgeschlossen und vollkommen offen ist. Die Hearings sind noch ausständig, ich bin schon sehr gespannt auf die Ergebnisse der Kommission. (Nora Laufer, 30.8.2020)