Ungefähr 180 Millionen Euro an fingiertem Kreditgeschäft haben Commerzialbank-Chef Pucher und Kollegin K. in die Bilanz gezaubert.

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Rund 500 erfundene Kreditfälle sollen die Exchefs der Commerzialbank Mattersburg zuletzt in der Bilanz untergebracht haben – jedenfalls nach derzeitigem Stand der Ermittlungsergebnisse von WKStA und Landeskriminalamt Eisenstadt. Sie haben, neben Exvorstandschef Martin Pucher und Exmanagerin K., bereits zahlreiche (Ex-) Mitarbeiter befragt und ihre Aussagen liefern erste Eindrücke zu einer höchst ungewöhnlichen Geschäftsgebarung, besonders in der Kreditsparte.

Im Risikomanagement zum Beispiel gab es anders als in der Branche üblich, keine Einteilung in Privat- und Geschäftskundenkredite, alle Mitarbeiter waren für alles zuständig – nur nicht für die sogenannten "vorstandsbetreuten" Kredite, von denen man heute weiß, dass sie fingiert waren. Zwar sollte auch bei diesen Geschäften die "Endbewertung" den Risikomanagern obliegen, das geschah aber "nicht immer", wie eine Zeugin aussagte, oft seien die Akten bei Risikovorstand K. geblieben und nicht mehr ins Risikomanagement gekommen.

Pucher fälschte Kundenunterschrift

Wie man bei diesen erfundenen Krediten im Volumen von rund 180 Millionen Euro vorging, erklärte K. selbst in einer ihrer Einvernahmen so: Entweder seien für reale Kunden fingierte Kreditkonten eröffnet worden oder sie, K., habe im Firmen- und Grundbuch nach geeigneten, völlig bankfremden "Kunden" gesucht.

Das Anforderungsprofil war klar: Die Leute sollten über eine möglichst hohe Bonität verfügen. In der Folge "befüllte" K. das Kreditansuchen, Vorstandschef Pucher unterschrieb zwei Mal: für den "Kunden" und gemeinsam mit K. für die Bank. Der Vorstand genehmigte den Kredit dann, verbucht hat ihn K. , weil Pucher das nicht konnte. Als Kundenbetreuer war immer Pucher eingetragen.

Guter Verkäufer, den jeder kennt

Dass der Chef bei mehr als der Hälfte aller vergebenen Kredite die Betreuung über hatte, wunderte die anderen Bankmitarbeiter nicht, es "ist ihnen offenbar nicht aufgefallen", erklärte die Beschuldigte, für die wie für Pucher die Unschuldsvermutung gilt. Tatsächlich, Pucher habe "natürlich auch als Kundenbetreuer fungiert" und sei ein "guter Verkäufer" gewesen meinte etwa ein Zeuge, der zum Schluss leitend in der Kreditabteilung tätig war.

Auffällig erschien ihm es nicht, dass der Vorstandschefs bei den Krediten anzahl- und summenmäßig "ganz vorn" lag: Pucher sei halt wegen des Fußballs auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt, kenne viele Leute und "die kommen gleich zu Pucher selbst". Zur Erinnerung: Pucher war Präsident des Fußballvereins SV Mattersburg, der auch in den Genuss hoher Sponsorzahlungen kam, die nun auch unter der Lupe der Ermittler gelandet sind.

Blind ergeben

Nicht nur dass die (fingierten, wie man heute weiß) Kreditkunden dem vermeintlichen Regionalkaiser nur so zuflogen, der Bankchef entschied auch über die Konditionen selbst. Laut dem Zeugen gab es nämlich auch ein "internes Konditionen-Pouvoir". Und das ging so: Wollte ein Kunde weniger Zinsen zahlen, musste ab einem bestimmten Prozentsatz Pucher einbezogen werden, letztlich habe der bei einer Vielzahl an Kreditanträgen über die Konditionen entschieden. "Komisch" kam das dem Banker nicht vor, denn: "Ich dachte mir, dass das Pucher so will, weil er Vorstandsvorsitzender ist und somit auch verantwortlich für die Erträge der Bank."

Damit war es, wie man heute weiß, so eine Sache. Die Bank war in den Augen Puchers seit Ende der 1990er-Jahre pleite und daraus, dass sich mit den kleinen Filialen, die sie sich leistete kein Geschäft zu machen war, machte der Bankchef laut dem Zeugen auch gar kein Hehl. Immer wieder habe er gesagt, "dass unsere kleinen Bankfilialen nicht rentabel sind und eigentlich geschlossen werden müssten". Das habe Pucher aber nicht tun wollen, "weil er keine Kunden verlieren wollte".

Schnell, schnell

Dass Vorstandschefin K. zwar keine Kreditkunden betreute, aber in manchen Fällen trotzdem Kreditanträge vorbereitete und ihn, den Kreditabteilungsmanager, in der Folge oft mit der Vertragserstellung betraut hat mit den Hinweis "Es ist dringend", hat den Zeugen auch nicht gewundert. K. habe Pucher eben geholfen und die erforderlichen Prüfungen des Kreditantrags vermutlich selbst vorgenommen. Abläufe wider alle Usancen? Er hat getan, was ihm Pucher und K. angeschafft haben, "ich habe ihre Entscheidungen nie hinterfragt". (Renate Graber, 1.9.2020)