Um für die Aufnahme der Flüchtlinge eine Handlungsgrundlage zu besitzen, fordert Wien die türkis-grüne Bundesregierung auf, sich an einer Aufnahmeinitiative der EU-Kommission zu beteiligen, laut der insgesamt 1.000 besonders schutzbedürftige Personen von den griechischen Inseln in EU-Staaten gebracht werden sollen.

Foto: Michael Matzenberger

Wien – Für die ÖVP ist die Aufnahme schutzbedürftiger Kinder aus den Flüchtlingscamps auf den griechischen Inseln ein No-Go, daher schließt die türkis-grüne Bundesregierung die Beteiligung Österreichs an dieser Aktion aus. Anders Wien: Hier beschlossen SPÖ, Grüne und Neos am Montag im Landtag, 100 Minderjährige – vorwiegend aus dem Lager Moria auf Lesbos – beherbergen zu wollen.

Der Antrag war ursprünglich von den Neos gekommen. Die Bundeshauptstadt habe ausreichend Kapazitäten, um 100 Kinder zu versorgen, heißt es darin. Die Zustände in den griechischen Insellagern seien seit Jahren inakzeptabel, die Corona-Krise habe sie weiter verschärft.

Um für die Aufnahme eine Handlungsgrundlage zu besitzen, fordert Wien die Bundesregierung auf, sich an einer Aufnahmeinitiative der EU-Kommission zu beteiligen, laut der insgesamt 1.000 besonders schutzbedürftige Personen von den griechischen Inseln in EU-Staaten gebracht werden sollen. Die Auswahl erfolgt entsprechend den Vulnerabilitätskriterien des UNHCR, die alleinreisende Kinder als besonders schutzwürdig einschätzen. Die Vorbereitung der Ausreisen übernimmt die Internationale Organisation für Migration (IOM). Neben Deutschland beteiligen sich bis dato mehrere skandinavische Staaten an derlei Umsiedlungen.

Doskozil sieht keine rechtliche Basis

Keine rechtliche Basis für eine solche Aufnahmeaktion sieht der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ). Eine legistische Grundlage müsse erst geschaffen werden, hatte er bereits am Sonntag in der "ZiB 2" seiner eigenen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner ausgerichtet; diese spricht sich ebenfalls für die Flüchtlingsübernahme aus.

ORF

Konkret verbiete die Dublin-Verordnung solche Umsiedlungsaktionen, erklärte eine Sprecherin Doskozils dem STANDARD am Montag. Laut Dublin-Verordnung sei immer der Erstaufnahmestaat in der EU für die Asylverfahren zuständig. Die Flüchtlinge auf den griechischen Inseln hätten daher "keinerlei Bezug zu Österreich".

Gleich Asyl gewähren

Hier widerspricht der Verfassungsrechtsexperte Bernd-Christian Funk. Trotz Dublin-Verordnung stehe jedem EU-Staat die Möglichkeit offen, in ein Asylverfahren einzutreten. Eine umfassende rechtliche Verankerung der "humanitär dringend gebotenen Umsiedlungen" fehle dennoch – etwa in Gestalt eines Abkommens zwischen verschiedenen EU-Ländern. Österreich könne den Kindern auch sofort Schutz gewähren, sagt wiederum Herbert Langthaler von der Asylkoordination. Tatsächlich sieht Paragraf 3a Asylgesetz genau diese Möglichkeit vor. (Irene Brickner, 31.8.2020)