Die Verhältnisse an Bord der Sea-Watch 4 sind beengt.

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Rom – Die Kapazitäten des NGO-Schiffes Sea-Watch 4 sind nach der Aufnahme zusätzlicher Geflüchteter am Wochenende an eine kritische Grenze gelangt. Das berichtete das österreichische Mitglied der Crew, Jakob Frühmann, am Montag in einem Telefonat mit der kirchlichen Nachrichtenagentur Kathpress.

Auf dem zwischen Malta und Sizilien liegenden Schiff hoffe man inständig auf erfolgreiche Verhandlungen für eine Übernahme der insgesamt 353 geretteten Migranten und die schnellstmögliche Zulassung zu einem sicheren Hafen an Land. "Die Zeit drängt, und wir unternehmen alles, dass die Stimmung an Bord nicht kippt", so der 30-jährige Religionslehrer.

Gespräche mit Italien und Deutschland

Nachdem die Sea-Watch 4 zu Beginn der vergangenen Woche selbst 200 Migranten aufgenommen hatte, leistete das Schiff am Samstagabend einem Hilferuf der südöstlich von Lampedusa unter deutscher Flagge fahrenden, vom Streetart-Künstler Banksy unterstützten Louise Michel Folge. Diese hatte den Angaben zufolge zeitweise 219 Menschen mit einer zehnköpfigen Crew zu versorgen und konnte sich nicht mehr sicher fortbewegen, nachdem die Besatzung zusätzliche Rettungsinseln zu Wasser lassen musste. Die zuständige italienische Küstenwache, das maltesische Militär und die Seenotrettung Bremen hatten auf den Hilferuf zunächst nicht reagiert.

Von den nun 353 Migranten auf dem 60-Meter-Schiff Sea-Watch 4 habe man derzeit alle mit Ausnahme der Frauen und Kinder an Deck untergebracht. "Die Platzverhältnisse sind eng, und das für Montagabend angesagte Schlechtwetter wird uns zu schaffen machen", zeigte sich Frühmann besorgt. Hinsichtlich des Schicksals der Geretteten laufen derzeit Gespräche mit Italiens Innenministerium unter Einbindung der deutschen Regierung. "Wir hoffen stark, dass sich EU-Staaten solidarisch und zur Übernahme bereit erklären, sowie auf eine Rettungsaktion unter der Koordination von Italien", so der Aktivist. Druck in diese Richtung erhoffe man sich dabei auch von Gruppen der Zivilgesellschaft und den Kirchen.

Rettung durch kommerzielle Schiffe kommt teuer

Die Mitte August ausgelaufene Sea-Watch 4 wird von einem Bündnis aus 550 Organisationen getragen, allen voran von der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), von Gewerkschaften, Firmen und NGOs wie aus Österreich Jugend Eine Welt, jedoch auch kleineren katholischen Gemeinden und der Schweizer Bischofskonferenz.

Welches Risiko die Seenotretter eingehen, hat der Inselstaat Malta aufgezeigt: Einem dort vor Anker liegenden Öltanker mit 27 Flüchtlingen an Bord wird bereits seit über drei Wochen das Anlegen verweigert – "obwohl Malta die Anweisung gab zu retten", berichtete der Burgenländer. Angesichts der enormen Kosten, die für das Frachtschiff entstünden, habe der Inselstaat somit eine klare Ansage an alle Handelsschiffe gemacht, nämlich: "Wenn ihr Leute aus Seenot rettet, wird euch das teuer zu stehen kommen." (APA, red, 31.8.2020)