Wien – In seiner Rede zur Corona-Lage versuchte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) die Menschen in Österreich auf die, wie Experten einhellig vorhersagen, schwierigen nächsten Monate im Herbst und im Winter einzuschwören – und dabei durch Aufzählung von Gegenmaßnahmen dennoch Zuversicht zu verbreiten. "Der Sommer war eine Zeit des Auftankens und, ja, auch der Sorglosigkeit. Aber jetzt wird es wieder ernst", sagte er.

Rudolf Anschober gab am Dienstag eine Erklärung ab.
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Es sei damit zu rechnen, dass mit kühlerem Wetter und der Verlagerung der meisten Aktivitäten in Innenräume wieder mehr Infektionen mit dem neuartigen Virus erfolgten. Dabei gelte es, mit aller Kraft zu verhindern, "dass die Pandemie noch einmal außer Kontrolle gerät"; so wie es Mitte März der Fall gewesen sei, "als es tägliche Infektionssteigerungsraten von 30, 40, 50 und sogar 55 Prozent" gegeben habe.

Mund-Nasen-Schutz wird zum permanenten Begleiter

Gegenmittel der Wahl für den Einzelnen seien auch nun und wahrscheinlich bis März kommenden Jahres wieder "Hygiene, Mindestabstände – auch in Bars oder Restaurants, wo wir es gern etwas kuscheliger haben" – sowie das konsequente Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, wo immer es eng werde.

Für Risikoeinschätzung sei die Corona-Ampel ein zentrales Tool. Konkret soll die Ampel diesen Freitag erstmals geschaltet werden; künftig soll das einmal wöchentlich geschehen. Ob die Lage in den Bezirken und Regionen in Grün, Gelb, Orange oder Rot abgebildet wird, hängt mit der Entwicklung in vier verschiedenen Bereichen zusammen: den täglichen Infektionszahlen, der Zahl der Testungen, dem Ausmaß von Clusterbildungen sowie der Auslastung der Einrichtungen des Gesundheitswesens. "Die Infektionszahlen sind nicht mehr allein relevant", sagte Anschober.

Auch bei Rot kein Lockdown – aber …

Komme es zur Überschreitung bestimmter, von den Expertinnen und Experten der Corona-Kommission definierter Schwellenwerte, ändere sich die Ampelfarbe in dem betroffenen Bezirk oder der Region, wobei Grün für eine "kontrollierte Situation", Gelb für "starkes Risiko", Orange für "sehr starkes Risiko" und Rot für "höchstes Risiko" stehe. Auch bei Rot sei jedoch kein Lockdown vorgesehen.

Vor allem in den Schulen werde man nach ungestörtem Ablauf trachten, auch große Veranstaltungen, die seit Dienstag wieder möglich sind, sollen "unter klaren Rahmenbedingungen möglich sein".

Sollte es in den kommenden Monaten trotzdem zu exponentiellen Steigerungsraten kommen, die Maßnahmen mit Grundrechtseingriffen nötig machten, werde man im Vorfeld den Hauptausschuss des Nationalrats damit beschäftigen. Anschober betonte, für Kritik ein offenes Ohr zu haben, auch für kontroversielle Ansichten.

Über etwaige neue Beschränkungen wird am Mittwoch informiert

Die aktuellen Infektionszahlen bezeichnete der Gesundheitsminister erneut als bedenklich: "Die Zahl ist zu früh zu hoch", sagte er: "Wir müssen sie in den nächsten Wochen wieder senken."

Wie das genau bewerkstelligt werden soll, erwähnte Anschober unter Verweis auf die baldige erste Ampelschaltung nicht. Etwaige zusätzliche Kontaktbeschränkungen, von denen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zuletzt gesprochen hatte, würden am Mittwoch verkündet.

Hauptansteckungsorte mit dem Virus seien derzeit "kleine Feste im privaten Bereich", die zu kleinen Clustern führten, sagte Anschober. Dazu kämen Reiserückkehrer und immer mehr junge Menschen, wobei es bei den Reiserückkehrern nach einer Steigerung der Positivfälle von täglich neun auf 385 binnen drei Wochen inzwischen wieder gelungen sei, die Zahl auf 67 neue Fälle zu senken.

Impfung schon ab kommendem Jänner?

Fallsteigernd wirke aber auch die ausgeweitete Teststrategie mit immer mehr Untersuchungen; von der vergangenen Woche etwa 77.000 Tests. Es würden Infektionen gefunden, die man sonst übersehen hätte. Insgesamt sei positiv, dass es trotz mehr Fällen seit Wochen keine oder nur eine geringe Zunahme bei den Spitals- und Intensivstationseinweisungen sowie den Todesfällen gebe – "derzeit", wie der Minister betonte.

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Was Anschober zuversichtlich stimmt: Trotz mehr Corona-Infektionen bleibt die Kurve der Spitals- und Intensivstationseinweisungen sowie der Todesfälle niedrig.
foto: reuters/föger

Insgesamt, so Anschober, gelte es, die kommenden Monate durch Zusammenhalten, gegenseitige Rücksicht und Vorsicht so gut wie möglich zu bewältigen. Für Jänner 2021 wagte er eine optimistische Prognose: "Falls die Zusagen der Impfstoffproduzenten eingehalten werden und es zeitgerecht zu Zulassungen kommt", könnten in diesem Monat in Österreich bereits erste Impfungen erfolgen. "Das wäre gleichzeitig mit der Grippewelle und könnte viel abfangen."

Anschober lässt sich immunisieren

Der bereits unterschriebene Vertrag der EU mit der Firma Astra Zeneca, die einen an der Universität Oxford entwickelten Impfstoff produziert, sichere Österreich in einem ersten Schritt "600.000 Impfdosen für 300.000 Menschen zu", sagte der Minister – offenbar von zwei notwendigen Teilimpfungen ausgehend. In einem ersten Schritt würden Angehörige pflegerischer sowie von Gesundheitsberufen immunisiert.

Würden in weiterer Folge auch Moderna und Pfizer ihre Zusagen einhalten, könnten "bis Sommer 2021 in Österreich alle Menschen, die sich gegen Corona impfen lassen wollen, geimpft worden sein".

Das würde zwar nicht alle Probleme lösen – "aber die Risiken der Pandemie könnten dadurch beträchtlich gesenkt werden", sagte Anschober. Er selbst, so betonte er, werde sich impfen lassen. Für Österreich insgesamt rechne er mit einer Impfrate von 50 Prozent. (Irene Brickner, 1.9.2020)