Bern/Graz – Schweizer Forschern ist es weltweit erstmals gelungen, die Distanz zu einem Weltraumschrott-Objekt mittels eines geodätischen Lasers bei Tageslicht zu messen. Die Distanzbestimmung am 24. Juni 2020 gelang am Swiss Optical Ground Station and Geodynamics Observatory Zimmerwald. Der Verzicht auf für diesen Zweck normalerweise eingesetzte spezialisierte Raumschrott-Laser mit hoher Leistung habe große Vorteile, denn damit vermeide man die Blendung von Flugzeugen oder Satelliten, erklärt Thomas Schildknecht vom Astronomischen Institut der Universität Bern.

Das Laser- und Astrometrie-Teleskop ZIMLAT am Swiss Optical Ground Station and Geodynamics Observatory Zimmerwald, das für die Distanzmessung zu Weltraumschrott-Teilen verwendet wird.
Foto: Universität Bern

Folgenreiche Kollision

Am Nachmittag des 10. Februars 2009 stieß über Sibirien in einer Höhe von rund 800 Kilometern der aktive Telefoniesatellit Iridium 33 mit dem ausgedienten Kommunikationssatelliten Kosmos 2251 zusammen. Der Aufprall erfolgte mit einer Geschwindigkeit von 11,7 Kilometern pro Sekunde und erzeugte eine Trümmerwolke aus über 2.000 Bruchstücken größer als 10 Zentimeter. Innerhalb weniger Monate breiteten sich diese Trümmer weiträumig aus und drohten seither mit weiteren aktiven Satelliten zusammenzustoßen. Dieses Ereignis war ein Weckruf für sämtliche Satellitenbetreiber, aber auch für die Politik.

In gewissen Bahnbereichen ist das Risiko für Kollisionen schon heute so hoch, dass aktive Satelliten regelmäßig Manöver durchführen müssen, um Schrotteilen auszuweichen. Die Europäische Weltraumagentur ESA verarbeitet für ihre Satellitenflotte tausende von Kollisionswarnungen pro Satellit und Jahr und führt jährlich dutzende von Manöver durch. Meistens ist der potentielle Kollisionspartner eines von rund 20.000 bekannten Raumschrott-Objekte.

"Leider sind die Bahnen dieser ausgedienten Satelliten, Oberstufen von Trägerraketen oder Bruchstücken von Kollisionen und Explosionen nur sehr ungenau bekannt, das heißt, nur auf einige hundert Meter", erklärt Schildknecht. Es sei daher oft unmöglich zu entscheiden, ob ein Ausweichmanöver, das jeweils sehr kostspielig sei, überhaupt nötig sei und das Risiko wirklich verkleinere. Genaue Distanzmessungen bei Schrottteilen sind daher wichtig.

Beispiel einer "Perlenkette" von Photonen, die von einem Weltraumschrott-Teil reflektiert wurden und sich in der Flut von Hintergrundphotonen des hellen Tageshimmels abheben.
Foto: Universität Bern

Mehr Zeit für Beobachtungen

Bisher seien solche Messungen jeweils nur einige Stunden nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang möglich gewesen, weil dafür eigentlich die Messstation im Schatten und das Objekt von der Sonne beleuchtet sein muss, wie Schildknecht sagte. Mit Tagesbeobachtungen könnten Teile nun über zwölf Stunden oder mehr beobachtet werden. Gewisse Objekte flögen auch zu bestimmten Zeiten nur am Tag über die Messstation.

Möglich sei das durch die Kombination einer aktiven Verfolgung des Schrott-Teils mit Hilfe einer Spezialkamera und einem digitalen Echtzeit-Filter zur Erkennung der vom Objekt reflektierten Photonen geworden.

Kein Umrüsten nötig

Wissenschafter an der Universität Graz hatten kürzlich in der Fachzeitschrift "Nature Communications" auch über Tagesmessungen berichtet, allerdings nutzten sie dafür Hochleistungslaser, die nicht überall vorhanden sind. Geodätische Lasersysteme hingegen seien an Laserstationen seit Jahren im Einsatz, sagte Schildknecht. Bei der neuen Schweizer Methode "wäre kein Umrüsten solcher Stationen nötig, um auch Weltraumschrott zu beobachten". (red, APA, 1.9.2020)