Wien – Das Verhältnis zwischen den Fraktionen der linken Koalition in der Bundesvertretung der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) war schon seit Monaten zerrüttet, jetzt haben die Fachschaftslisten (Flö) ihre Zusammenarbeit mit den Grünen und Alternativen StudentInnen (Gras) und dem Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) beendet. Als Grund nennt die Flö am Mittwoch "destruktive Fraktionskämpfe".

Diese hätten die Arbeit für die Studierenden in den vergangenen Monaten stark beeinträchtigt, hieß es in einer Aussendung. Bei einer turbulenten Bundesvertretungssitzung Ende Juni hatten die Koalitionspartner mehrmals gegeneinander gestimmt, ein vereinbarter Vorsitzwechsel war gescheitert. Nach Darstellung der Flö hat die darauffolgende Gesprächsverweigerung zu einer "unerträglichen Lähmung der Exekutive" geführt.

"Wenn man Missstände und das Versagen der türkis-grünen Regierung nicht mehr aufzeigen darf, können wir als Flö nicht länger Teil dieser Exekutive sein", kritisiert der bisherige Flö-Vertreter im ÖH-Vorsitzteam, Desmond Grossmann, indirekt den Ex-Koalitionspartner Gras. Die Flö wollen nun als Oppositionsfraktion gemeinsam mit den Hochschulvertretungen darum kämpfen, dass die Interessen der Studenten "nicht unter den Trümmern der Parteipolitik begraben werden".

Will mit den Koalitionspartnern keine Sträuße mehr ausfechten: Desmond Grossmann.
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Keine Bundesbeschlüsse mehr möglich

Auf die Handlungsfähigkeit der ÖH hat der Ausstieg der Flö aus der Koalition vorerst keine großen Auswirkungen. Nach wie vor gibt es noch zwei Vorsitzende, und auch die Referate sind weitgehend besetzt. Für Beschlüsse in der Bundesvertretung hat die Restkoalition aus Gras und VSStÖ allerdings zwei Stimmen zu wenig und müsste sich Unterstützung von anderen Fraktionen sichern.

Die nächste BV-Sitzung findet am 18. September statt. Ob die Flö dort einen Antrag auf Abwahl der Vorsitzenden stellen wird, ließ ein Sprecher am Mittwoch noch offen. Bei einem direkt in der Sitzung gestellten Abwahlantrag wäre laut Hochschulgesetz eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Wenn ein Antrag auf Abwahl durch Neuwahl rechtzeitig vor der Einladungsfrist einlangt und damit auf der Tagesordnung der BV-Sitzung landet, reicht allerdings bereits eine einfache Mehrheit.

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Neuwahlen im Frühjahr 2021

Die bisherige Dreierkoalition hat über 31 Sitze in der 55-köpfigen Bundesvertretung, dem österreichweiten Studentenparlament, verfügt. Für eine Mehrheit sind 28 Stimmen nötig.

Gras und VSStÖ (beide 13) liegen nach dem Ausstieg der Flö nur mehr bei 26. Die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG) hält 15 Mandate, die Junos sechs, die Flö fünf, zwei konkurrierende kommunistische StudentInnenverbände (KSV-KJÖ bzw. KSV Lili) sowie der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) je eines.

Die nächsten ÖH-Wahlen finden im Frühjahr 2021 statt. Bis dorthin könnten Gras und VSStÖ gemeinsam versuchen, sich zu zweit wechselnde Mehrheiten in der Bundesvertretung zu suchen. Dafür fehlen ihnen nur zwei Stimmen. Möglich, aber eher unwahrscheinlich wären fliegende Koalitionswechsel: Sowohl Gras als auch VSStÖ kämen jeweils gemeinsam mit der AG auf 28 Stimmen. Keine Mehrheit hätte dagegen eine Koalition aus AG, Junos und Flö. (APA, 2.9.2020)