Die Tourismusbranche wird durch die Covid-Krise in Zukunft mehr auf Qualität als auf Massen setzen.

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Wer braucht eine automatisierte Wohnung, in der man nur noch auf der Couch sitzt? Wer eine vollautomatisierte Mobilität? Wer eine Digitalisierung, die von Überwachung, Manipulation und Hassrede geprägt ist? Zukunftsforscher Matthias Horx prophezeit ein Ende jener "linearen" Entwicklung, die in diese Irre führt. Eine "Rekursion" werde den Menschen neue Bezüge zu Wirtschaft und Technologie finden lassen.

Die Corona-Krise könnte dabei helfen. "Durch sie werden Trends in der Gesellschaft, die bereits existiert haben, beschleunigt und kommen an die Oberfläche", sagte Horx als einer der Teilnehmer des Panels zum Thema "Resilience and Digital Future: Synergy or Discrepancy?" im Rahmen des heuer online abgehaltenen Forum Alpbach.

"Zoom-Fatigue"

In der Krise haben wir etwa schnell gelernt, vorhandene audiovisuelle Techniken zu nutzen. Sie zeigen uns aber auch, wie sehr uns mit ihnen – und anderen Annehmlichkeiten der Digitalisierung – das Analoge, das Physische fehlt. Videokonferenzen laugen uns aus, sorgen für "Zoom-Fatigue". Es boomt Handfestes: Kochen, Garteln, sogar analoge Telefonie.

Moderiert von Manfred Tscheligi, der an der Uni Salzburg und am Austrian Institute of Technology (AIT) tätig ist, und unterstützt vom ITG Innovations- und Technologietransfer Salzburg, brachte das Online-Panel Diskutanten zusammen, die sich jeweils auf ihre Art mit Resilienz im Angesicht aktueller und zukünftiger Krisen auseinandersetzen. Horx spricht davon, dass sich das Verhältnis zwischen menschlichen Bedürfnissen und digitaler Entwicklung verändern werde und eine "Evolution der sozialen Kultur" bevorstehe.

Forschende Unternehmen im Vorteil

Sabine Mayer, Strategin bei der Förderagentur FFG, sieht eine Wirtschaft, die jahrzehntelang die Kosteneffizienz optimiert hat, nicht aber die Versorgungssicherheit. Die Corona-Krise habe die Verletzlichkeit vieler Organisationen offenbart. Jene Unternehmen, die intensiv in Forschung und Entwicklung investiert haben, hätten sich während der Corona-Zeit aber besser geschlagen, betont sie. Agilität und Flexibilität seien Eigenschaften, die in der Krise von unschätzbarem Wert sind. Dennoch werden die privaten Forschungsausgaben mit der Dauer der Pandemie zurückgehen, öffentliches Investment ist gefragt, um die wirtschaftliche Erholung zu unterstützen. Mayer wünscht sich mutigere Maßnahmen und verweist auf ein 700-Millionen-Euro-Paket, das Finnland gerade erst für kleine Unternehmen in der Krise geschnürt hat.

Einen anderen Aspekt resilienter Wirtschaft hebt dagegen Eric-Jan Kaak von Spar ICS hervor – also jenem Unternehmen, das in dem Lebensmittelkonzern für digitale Services zuständig ist. Trotz aller technologischen und sozialen Veränderungen im vergangenen Jahrhundert hätten sich die betrieblichen Organisationsformen kaum verändert, hebt Kaak hervor. Man blieb bei klassischen Hierarchiesystemen, mit denen die Komplexität aktueller Aufgaben aber nicht mehr bewältigbar ist. Erste Unternehmen hätten deshalb begonnen, sich grundsätzlicher zu verändern und sich die Struktur selbstorganisierender Netzwerke zu geben, die Kaak zufolge für Mitarbeiter motivierender und insgesamt viel resilienter seien.

Qualität statt Massen

Die Reise, die die Tourismusbranche durch die Covid-Krise nehmen könnte, skizzierte Petra Stolba von dem Austrian National Tourist Office. Veränderungen, die sich längst anbahnen, etwa begründet durch Overtourism, Klimawandel oder geopolitische Unsicherheiten, werden auch hier beschleunigt. Neue Tourismusmodelle werden aktuellen ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimensionen gerecht werden und "bessere Plätze zum Leben und zum Besuchen" schaffen. "Tourismus wird mit einer Region leben, nicht von ihr", sagt Stolba. Es werden individuelle Erlebnisse geschaffen, die den Wandel vom Massen- zum Qualitätstourismus kennzeichnen werden.

Katharina Ratheiser vom Viktor-Frankl-Institut in Wien – und Enkelin des berühmten Neurologen und Erfinders der Logotherapie – bringt zuletzt noch die Sinnfrage des Menschen in die Debatte ein. Ihr Großvater hätte wohl danach gefragt, welcher Umgang mit der Pandemie am sinnstiftendsten wäre. Bedeutung im Leben zu finden, das mache eine Person in Krisen widerstandsfähig. Resilienz sei so gesehen nur ein Nebenprodukt eines Lebens, das von Offenheit und der Suche nach Sinn geprägt ist. (Alois Pumhösel, 4.9.2020)