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Der Campus der National University of Singapore (NUS) – laut Rankings eine der besten Universitäten Asiens und unter den top 100 weltweit.

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Eine Stadt, eine Insel, ein ambitioniertes Bildungs- und Forschungssystem: Als einer der vier "Tigerstaaten" durchläuft Singapur einen fabelhaften wirtschaftlichen Aufstieg. Der Wohlstand des kleinen Stadtstaats – er ist einer der reichsten Länder der Region – ist unter anderem dem Tourismus und der Positionierung als Finanzstandort zu verdanken. In den vergangenen Jahrzehnten wurde aber auch massiv in den Schul- und Bildungsbereich investiert, was exzellente Pisa-Ergebnisse und mediale Zuschreibungen wie "Streber-Staat" brachte. Alle fünf Jahre erneuert Singapurs Regierung im Rahmen neuer Forschungspläne zudem die Schwerpunktsetzungen im Wissenschaftsbereich. Drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sollen in die Forschung fließen – mehr als die meisten EU-Staaten erreichen.

Ab der Jahrtausendwende wurde auch die Forschung an der 1905 gegründeten, ältesten und größten Hochschule des Landes, der National University of Singapore (NUS), auf neue Beine gestellt. Heute firmiert sie unter den Top-Unis Asiens, weltweit bleibt sie unter den top 100. "Wir haben erst vor 20 Jahren begonnen, ernsthaft in Forschung zu investieren – in dieser Hinsicht sind wir eine sehr junge Universität", sagt Tan Eng Chye, der seit 2018 Präsident der NUS ist, im Standard-Gespräch.

Grundlagen- und Anwendungsforschung

Dem Mathematiker, der an der NUS und der Yale University in den USA studiert hat, wird nachgesagt, ein hervorragender Didaktiker zu sein. Vergangene Woche war Tan Teil eines Panels beim diesjährigen Forum Alpbach. In der Breakout-Session "Return on Investment: Excellence & Relevance in Science", die vom Wissenschaftsfonds FWF und dem Wissenschaftsministerium veranstaltet wurde, erklärte er, wie an seiner Heimatuniversität eine Balance zwischen Grundlagen- und Anwendungsforschung findet.

Auf die Frage der Positionierung der NUS in Relation mit den US-amerikanischen und europäischen akademischen Kulturen verweist Tan auf die Situation der USA nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals schrieb der US-Regierungsberater Vannevar Bush den Report "Science: The Endless Frontier", der der Regierung eine Schlüsselrolle in der Förderung der Wissenschaften zusprach. "Die Leute erkannten die Wichtigkeit der Forschung, weil es den USA geholfen hatte, den Krieg zu gewinnen", sagt Tan. "Das erlaubte der US-Forschungsinfrastruktur über 70 Jahre hinweg zu wachsen." Neben der Schlüsselrolle der öffentlichen Hand nach Auffassung der USA hat man sich etwa auch ein Bewertungssystem in Großbritannien, das Forschungsmittel auf Basis von Impact-Messungen verteilt, zum Vorbild genommen. Tan: "Wir lernen viel von Europa, genauso wie von den USA."

"Smarte Nation"

Der Forschungsbereich werde in Singapur als gesamtheitliches Ökosystem verstanden, das das gesamte Spektrum von der Grundlagenforschung bis zur Wertschöpfung in Unternehmen abdeckt, betont der NUS-Präsident. Die derzeitige Fünfjahresstrategie hebt Bereiche wie die Modernisierung des Produktionssektors, biomedizinische Forschung oder den Umgang des Landes mit dem Klimawandel hervor – immerhin ist Singapur eine Insel, die von steigenden Meeresspiegeln bedroht ist. Gleichzeitig möchte man sich als "smarte Nation" positionieren und umfassende Kompetenzen im Bereich der Digitalisierung aufbauen. Zudem legte man ein Budget für einen "white space" zur Seite – für unvorhersehbare, aber kurzfristig notwendige Forschungsleistungen.

Der Staat Singapur legt ein Prozent des BIPs für die Forschungsfinanzierung zur Seite, erklärt Tan. Weitere zwei Prozent sollen aus der Industrie kommen. 15 bis 20 Prozent der Gesamtausgaben gehen in die Grundlagenforschung. Nachdem etwa 90 Prozent des NUS-Budgets vom Staat kommen, beeinflusst die Politik auch die Aufteilung der Mittel in Grundlagen- und angewandte Forschung. "Regierungen stehen auf dem Prüfstand der Öffentlichkeit, und viele Menschen würden das Geld lieber in Projekte mit unmittelbarem oder mittelfristigem Nutzen investieren", erklärt Tan. "Um die Fähigkeiten eines Landes aber langfristig zu verbessern, muss man die Grundlagenforschung fördern." Für ihn schließen sich die für das Alpbach-Panel titelgebenden Begriffe "Exzellenz" und "Relevanz" nicht aus, solange Qualität im Mittelpunkt steht.

Präsident Tan Eng Chye der University of Singapore.
Foto: NUS

Spricht Tan von der "Exzellenz" der Forschenden selbst, ist Talent ein zentraler Begriff: "Für mich ist wichtig, dass es eine gute Talent basis gibt und dass diese Basis vom System verbessert wird." Doch wie kommt man an die besten Köpfe? Und wie fördert man sie? Natürlich seien Impact-Daten oder die Teilnahmen an Topkonferenzen interessant. Der wichtigste Gedanke zum Thema Recruiting ist für den NSU-Präsident aber die "Anziehungskraft kluger Köpfe". Man benötigt eine "kritische Masse" an hervorragenden Wissenschaftern, die über ihre eigenen Netzwerke weitere High Potentials anlocken. Dabei geht man an der NUS durchaus kompetitiv vor: Bekommt ein junger Forscher ein Angebot einer renommierten US-Uni, versucht man ihn etwa mit dem Angebot des prestigeträchtigen "Presidential young profressorships" zu halten – eine mit substanziellen Mitteln versehene, unter Assistenzprofessoren sehr privilegierte Position. "Ein offenes Umfeld, das das Talent nicht einschränkt", ist natürlich Bedingung.

Probe für Qualität der Forschung

Die Qualität der Forschung wird gerade in der Corona-Krise auf die Probe gestellt. "Ich glaube, jetzt ist der Zeitpunkt, in dem Universitäten zeigen können, welchen Wert sie für ihr Land haben", sagt Tan. Die NUS sei etwa eine der ersten Unis weltweit gewesen, die ein serologisches Testverfahren auf Covid-19-Antikörper bot. Man konnte die am Weltmarkt begehrten Reagenzien sehr schnell im eigenen Land herstellen, war effektiv bei Testzahlen, Contact-Tracing und epidemiologischen Modellierungen, zählt Tan auf. Es gebe vier Projekte im Bereich der Schnelldiagnostik, und ein Impfstoff würde – als einer von 24 weltweit – bereits in klinischen Studien getestet.

Doch auch die Zeit nach der Pandemie ist bereits Thema: "Covid-19 wird die Welt verändern – die Art, wie wir leben, wie die Wirtschaft funktioniert. Ich glaube also, dass es wichtig ist, darüber nachzudenken, welche Art von Forschung in der Post-Covid-19-Ära notwendig sein wird", sagt Tan. An der NUS wurde dafür ein eigenes Forschungsprogramm ins Leben gerufen. (6.9.2020, Alois Pumhösel)