Für viele Amerikaner war die Nominierung von Kamala Harris zur Vizepräsidentschaftskandidatin der Demokraten wichtiger als die des Präsidentschaftskandidaten Joe Biden. Kamala Harris ist indisch-jamaikanischer Herkunft, eine "schwarze" Frau, die aufgrund des Alters von Joe Biden eine echte Chance hat, eines Tages Präsidentin der USA zu werden. Sie sei, schrieb die "New York Times", das sichtbare Symbol eines veränderten Amerika.

Die USA waren immer ein Einwanderungsland. Aber bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts kamen die meisten Immigranten aus Europa. Der typische New Yorker, wie wir ihn aus vielen Filmen und Romanen kennen, ist seiner Herkunft nach ein Ire, ein Italiener oder ein osteuropäischer Jude. Das ist seither anders.

Kamala Harris hat eine echte Chance, eines Tages Präsidentin der USA zu werden.
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Heute, sagen die Statistiker, ist mehr als die Hälfte der Amerikaner unter sechzehn Jahren nicht weiß. Die Einwanderer der letzten Jahrzehnte kamen überwiegend aus Asien und Lateinamerika. Inder, Chinesen, Koreaner, Mexikaner bilden inzwischen große Bevölkerungsgruppen. Ihre Kinder und Enkel sind bereits in den USA geboren. Diese Entwicklung ist nicht zuletzt auf eine Gesetzesänderung aus dem Jahre 1965 zurückzuführen, die ein Quotensystem aus den Zwanzigerjahren abschaffte. Dieses war eingeführt worden, um zu gewährleisten, dass Amerika weiß und protestantisch blieb.

Anerkennung und Chancengleichheit

Nichtweiße Amerikaner sind inzwischen nicht nur zahlreicher geworden, sondern auch selbstbewusster. Anders als ihre Eltern und Großeltern kämpfen sie nicht mehr nur ums bloße Überleben, sondern auch für Anerkennung und Chancengleichheit.

Die Black-Lives-Matter-Bewegung hat eindrucksvoll gezeigt, dass viele sich nicht mehr damit abfinden wollen, dass das Leben dunkelhäutiger Menschen weniger wert sein soll als das ihrer weißen Mitbürger. Und mehr und mehr Nichtweiße drängen, wie Kamala Harris, in die Politik.

Und in Europa? Und in Österreich? Auch an uns ist die Globalisierung nicht spurlos vorbeigegangen. Bei uns kommen die neuen Immigranten vor allem aus den Balkanländern, der Türkei und dem Nahen Osten. Auch bei uns sitzen in den Großstadtschulen mehrheitlich Zuwandererkinder.

Und auch bei uns sind immer mehr Nachkommen von Migranten nicht mehr bereit, den Status von Bürgern zweiter Klasse zu akzeptieren. Die aus Sarajevo stammende Autorin Melisa Erkurt hat das in ihrem neuen Buch "Generation haram" überzeugend dargelegt. Freilich, sagt Melisa Erkurt, wer es als Person mit Migrationshintergrund zu etwas bringen will, muss besser sein als die Einheimischen. Beispiel: Justizministerin Alma Zadić, gebürtig aus Bosnien, die mit ihrer internationalen Karriere als Spitzenjuristin für ihr Amt besser qualifiziert ist als alle anderen Mitglieder der Bundesregierung.

Nicht allen ist diese Entwicklung recht. In Amerika heißen deren Gegner "White Supremacists", bei uns kämpfen sie gegen die sogenannte "Umvolkung". Umvolkung heißt, die hier lebende Bevölkerung verändert sich, Menschen, die anders aussehen und eine andere Kultur mitbringen, sind da und beanspruchen ihren Platz in der Gesellschaft. Auf lange Sicht gilt das für Österreich ebenso wie für die USA. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 2.9.2020)