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Proteste gegen den Rechtsruck der ungarischen Universitäten in Budapest.

Foto: Reuters

Dutzende Studentinnen und Studenten der angesehenen Budapester Universität für Theater- und Filmkunst (SZFE) haben sich im Gebäude der Hochschuleinrichtung verbarrikadiert und eine unbefristete Besetzung begonnen. Sie fordern die uneingeschränkte Wiederherstellung der Autonomie der Universität, die ihr die Regierung des Rechtspopulisten Viktor Orbán weggenommen hat.

Die Aufhebung der Universitätsautonomie wurde am Dienstag, den 1. September, rechtswirksam. An jenem Tag übernahm ein von der Regierung ernanntes Kuratorium so gut wie alle Leitungsbefugnisse der bis dahin weitgehend selbstverwalteten Universität. Treibender Motor dieser Entwicklung ist der Kuratoriumspräsident Attila Vidnyánszky. Er ist auch Intendant des Nationaltheaters und häuft sonstige einflussreiche Ämter und Posten an. Faktisch ist er Orbáns oberster Theaterkommissar und eine Art Einflüsterer in Kulturfragen.

Autokratischer Habitus

Vidnyánszky, der einem mystisch-nationalistischen Weltbild anhängt, treibt die Obsession um, dass das ungarische Theater von einer links-linken Geistigkeit "verseucht" sei. Er selbst hatte seit Orbáns Amtsantritt vor zehn Jahren dafür gesorgt, dass praktisch alle Provinztheater und viele Budapester Häuser inzwischen der Leitung von Parteigängern der Regierung unterstellt sind. Auch hatte er persönlich die Kontrolle über die zweite ungarische Theater-Ausbildungsstätte, einen Lehrstuhl an der Universität Kaposvár (Südwestungarn), übernommen. Das Übel, so seine Überzeugung, sitze in der Budapester Theater-Uni, wo seit Jahrzehnten "linke" Theatermacher die nächste Generation heranziehen würden. Als besonders "zerstörerisch" brandmarkt Vidnyánszky den angeblichen Einfluss des deutschen Theaters auf jene Theater-Elite, die auf die Jungen losgelassen werde.

Vidnyánszky entstammt der ungarischen Minderheit in der Karpato-Ukraine. Seinen autokratischen Habitus prägte offenbar sein Studium der Regie im damals sowjetischen Kiew. Als er um das Jahr 2000 in Budapest eintraf, schlugen seiner damaligen, ästhetisch innovativen Theaterarbeit durchaus Wertschätzung und Anerkennung entgegen. Als er sich 2002 um die Intendanz des Nationaltheaters bewarb und sie nicht erhielt, fühlte er sich diskriminiert und missverstanden. Sein Hass richtete sich gegen die etablierte Szene. Er diente sich in weiterer Folge Viktor Orbán an, der für sein Projekt einer "Kulturrevolution von rechts" ohnehin willige Vollstrecker brauchte.

Geschlossener Rücktritt

Die nunmehrige Kaperung der Theater-Uni fügt sich in ein weites Tableau von autokratischen Maßnahmen ein, die auf die Eliminierung kritischer Haltungen und Kultur abzielen. So wurde bereits im Vorjahr die liberale, amerikanisch geführte Central European University (CEU) von Budapest nach Wien vertrieben. Auch der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (MTA) und einigen anderen Universitäten entzog die Regierung die Autonomie. Die Medien wurden weitgehend zentralisiert und homogenisiert.

Die Theater-Universität versucht wiederum, ihre Haut so teuer wie möglich zu verkaufen. Der amtierende Rektor László Upor, der Senat und die Dekanatsleitungen waren schon am Montag geschlossen zurückgetreten. Viele der besten Lehrkräfte kündigten, unter ihnen die Theaterregisseure Tamás Ascher, Gábor Zsámbeki, Gábor Székely und Viktor Bodó, der regelmäßig in Österreich inszeniert, sowie die Filmregisseurin Ildikó Enyedi (Körper und Seele, 2017). Die Studenten wollen mit ihrer Besetzung verhindern, dass Vertreter des neuen Träger-Kuratoriums die Universität betreten.

Kein Dialog möglich

Vidnyánszky zeigte sich hingegen entschlossen, auf keine Forderungen einzugehen. "Ich sage schon lange, dass die Universität in einem sehr geschlossenen System operiert, und das ist nicht gut so", erklärte er am Dienstagabend in einem Fernsehinterview. (Gregor Mayer, 3. 9. 2020)