Im sogenannten Kenyon-Pavillon des alten Sophienspitals soll der Apollosaal für Kultur- und Sportveranstaltungen entstehen.

Visualisierung: Schreiner Kastler

Erst 1999 wurde der dunkle Klinkerbau im Sophienspital fertiggestellt. 2017, nach nur 18 Jahren in Betrieb, musste das Krankenhaus seine Pforten schließen. "Und nun soll das Gebäude abgetragen werden und für eine Neunutzung Platz machen", sagt Martin Kohlbauer. "Als Architekt sein eigenes Projekt abzureißen ist nicht leicht. Dass das weinende Auge so bald nicht wieder trocken sein wird, ist wohl klar."

Kleiner Wermutstropfen: Kohlbauer ist in der außergewöhnlichen Lage, anstelle des stillgelegten Krankenhauses noch einmal den Stift anzusetzen und im Auftrag der Sozialbau und der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (WBV-GPA) ein Wohnprojekt mit vielen gemischten Nutzungen aus der Taufe zu heben. Zwar ist der dreistufige Bauträgerwettbewerb noch nicht entschieden, und die Jury wird erst Mitte September ihre endgültige Entscheidung fällen, doch mangels konkurrierender Projekte, die bereits in der zweiten Stufe aus dem laufenden Verfahren ausgeschieden sind (irgendwie sehr österreichisch), ist der Wettbewerbssieg wohl nur noch eine Frage von Formalitäten.

Zehn statt zwei Stockwerken

Während sich der Krankenhausklinkerbau dem Gürtel mit nur zwei Obergeschoßen entgegenstemmt, soll das neue Wohnhaus mit seinen rund 160 Wohnungen – darunter auch Sonderwohnformen für Senioren, Alleinerziehende und ehemals Obdachlose – an dessen Stelle bis zu zehn Stockwerke in den Himmel ragen. 35 Meter beträgt die Höhe des Bauwerks an der höchsten Stelle. "Die geforderte Bebauungsdichte ist sehr groß", sagt Kohlbauer. "Wir begegnen dieser Forderung, indem wir das Haus auflockern und in fünf einzelne Punkthäuser aufdröseln." Das Dach soll den künftigen Mietern in Form von begrünten Dachterrassen zur Verfügung stehen. Über allem soll als weit sichtbares Ökosymbol eine Photovoltaikanlage schweben.

"Doch die eigentliche Besonderheit dieses Projekts ist seine Offenheit", so Kohlbauer. Dazu zählen beispielsweise die überdachten Arkaden entlang des Gürtels, die sich darin befindlichen Shops und Start-up-Flächen sowie der öffentlich zugängliche, von allen Seiten durchwegbare Sophienpark, der inmitten der Anlage – wie schon jetzt in der Zwischennutzungsphase unter dem Titel "West" – als grüne Lunge und Erholungsoase dienen soll. Die bestehenden Bäume, so der Plan, sollen während der Bauarbeiten zum größten Teil erhalten bleiben.

Ergänzt wird "Sophie 7" durch zwei bestehende Altbauten. Im denkmalgeschützten Kenyon-Pavillon wird es eine Kultur- und Sporthalle unter dem Namen Apollosaal, eine Gastronomiezone sowie einen Kreativ-Cluster mit Ateliers, Coworking-Spaces und Musikproberäumen geben. Im gegenüberliegenden Karl-Ludwig-Pavillon sollen ein Kindergarten, ein Jugendklub und eine Wuk-Dependance errichtet werden. In den Obergeschoßen sollen einige weitere Wohnungen und Wohnlofts geschaffen werden.

Ein heterogenes Stück Stadt

"Die Mauern und Zäune auf dem gesamten Areal werden verschwinden", sagt Azita Praschl-Goodarzi von P Good Architekten, die sich um die Sanierung der beiden Bestandspavillons kümmern. "Stattdessen wird es vor dem neuen Apollosaal eine öffentliche Stadtterrasse geben. Unser Ziel ist ein lebendiges, heterogenes Stück Stadt ohne Rückseiten und ohne bauliche Barrieren."

Und ja, lebendig wird’s wohl werden. "Das Programm ist sehr dicht", sagt Andrea Steiner, Leiterin Projektentwicklung in der Sozialbau, "und mit einem Drittel Anteil an Nichtwohnen für einen gemeinnützigen Bauträger auch überproportional exotisch. Dennoch: An so einem zentralen Standort im siebenten Bezirk neben dem Westbahnhof können wir keine andere Botschaft aussenden als die einer guten urbanen Nachverdichtung. Man darf nicht immer nur in den Stadtrand investieren, sondern muss auch Standorte mit bestehender Infrastruktur nutzen."

Auch Michael Gehbauer, Geschäftsführer der WBV-GPA, bestätigt den mit 33 Prozent ungewöhnlich hohen Kulturanteil als notwendige, logische Ergänzung: "Das Projekt Sophie 7 spiegelt all das wider, wofür der siebente Wiener Gemeindebezirk steht: Kultur, Bildung, Start-ups, Urban-Gardening, innovative Gastronomie und Service-Points für alternative Ökonomie, ganz unter dem Motto: Mieten statt Kaufen, Reparieren statt Wegwerfen. Mit einer vollwertigen Volkshochschule, die hier bisher gefehlt hat, wird das Angebot komplett."

Fertigstellung bis 2024

Nachdem das gesamte Projekt im Baurecht errichtet wird, entfällt der sonst hohe Grundkosteneigenmittelanteil und reduziert sich auf diese Weise auf 60 bis 65 Euro pro Quadratmeter. Die Smart-Wohnungen werden 7,85 Euro, die klassischen Mietwohnungen rund 9,50 Euro Miete pro Quadratmeter kosten. Das Gesamtinvestitionsvolumen beläuft sich auf rund 25 Millionen Euro. Baubeginn ist Frühjahr 2022, Fertigstellung zwei Jahre später.

Parallel dazu wird der Bestandsbau an der Kaiserstraße zu einem Komplex mit Ganztagsschule und Gemeindebau ausgebaut. Das Wiener und Zürcher Büro Illiz Architektur erstellt dazu gerade eine Studie. (Wojciech Czaja, 4.9.2020)