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2005 erhielt Paul Rusesabagina von US-Präsident Bush einen Orden.

Foto: AP Photo/Lawrence Jackson

Wer wissen will, wer Paul Rusesabagina wirklich ist, findet sich zwischen zwei Polen. Glaubt man der ruandischen Regierung, ist er ein Terrorist, der aus dem Genozid an den Tutsi im Jahr 1994 Profit geschlagen hat. Glaubt man ihm selbst, ist Rusesabagina ein Held: Als Chef des Hôtel des Mille Collines habe er während des Völkermords mehr als 1200 Tutsi Zuflucht geboten und ihnen so wahrscheinlich das Leben gerettet. Diese Version ist es auch, die 2004 im Film Hotel Ruanda verfilmt und so einem Millionenpublikum bekannt wurde.

Nun aber ist es die andere Variante, die durch die Medien geistert. Denn der 66-Jährige wurde Anfang der Woche verhaftet. Wie und wo genau, das ist nicht klar – und beim Weshalb bleiben die ruandischen Behörden, die ihn am Montag in Kigali den Medien vorführten, inexakt. Rusesabagina habe Hutu-Milizen unterstützt, die im Ostkongo ihr Unwesen treiben und dort den Umsturz planen, seit die damalige Tutsi-Miliz RPF, heute stark autoritäre Regierungspartei, sie 1994 aus dem Land gejagt hat. Auch habe er Morde in Auftrag gegeben.

Zweifel an Geschichte

Unbestritten ist, dass Rusesabagina zum Zeitpunkt des Genozids das Hotel führte, nachdem die belgischen Besitzer dieses verlassen hatten. Unbestritten ist auch, dass dort mehr aus tausend Tutsi Zuflucht fanden und so das Morden überstanden, das über 800.000 andere Menschen ihr Leben kostete. Viele Überlebende erzählen allerdings eine andere Geschichte. Der Hoteldirektor, Sohn eines Hutu und einer Tutsi, habe für ihren Schutz unter anderem Geld verlangt und dieses für sich behalten, sagen sie.

Rusesabagina, der 1996 ins Ausland ging, in Belgien Taxi fuhr und eine Spedition gründete, widerspricht. Das Geld sei nötig gewesen, um Wachen zu bestechen. Der Film, sagte er jüngst, habe nur Probleme gemacht, Ruandas Regierung neide ihm den Ruhm.

Das hat er nicht immer so gesehen: 2006 schrieb er seine Autobiografie Ein gewöhnlicher Mensch, ein Jahr vorher ließ er sich in Washington von Präsident George W. Bush die Presidential Medal of Freedom umhängen. In den USA hat er auch eine Green Card und ein Haus.

Und Rusesabagina nutzte seinen Ruhm: Seit Jahren unterstützt er öffentlich die Opposition. Auf Youtube sagte er 2018, die Rebellenmiliz FLN wolle "das Land befreien". Zuletzt in Freiheit gesehen wurde Rusesabagina laut seinen Töchtern in Dubai. Sie sind überzeugt, Ruandas Geheimdienst habe ihn von dort entführt. (Manuel Escher, 3.9.2020)