Ein typisches Hass-Posting.

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Für die türkis-grüne Regierung war es keine leichte Übung. Mehrere Verhandlungsrunden hatten keine Einigung gebracht und die Präsentation wurde mehrmals über Wochen verschoben. Donnerstagfrüh stellen nun Justizministerin Alma Zadić, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, Frauen- und Integrationsministerin Susanne Raab sowie die Klubobfrau der Grünen Sigi Maurer das Gesetzespaket gegen "Hass im Netz" vor.

Damit sollen Youtube, Facebook und andere große Social Media-Plattformen bei der Löschung hetzerischer und beleidigender Inhalte stärker in die Pflicht genommen werden. Der Entwurf des Gesetzes war bereits am Mittwochabend im Netz auf der Seite der Europäischen Kommission zu finden.

Die Regierungsvertreter beim Start der Pressekonferenz.
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Forenbeiträge in österreichischen Medien sind vom Gesetz ausgenommen

Plattformen müssen demnach eine Meldestelle einrichten und Personal abstellen, das sich um Hass-Postings kümmert. Für betroffene Nutzer, deren Postings gelöscht wurden, soll es ein Beschwerdeverfahren geben. Damit soll "Overblocking" verhindert werden – also überschießende Eingriffe in die Meinungsfreiheit.

Forenbeiträge in österreichischen Medien sind vom Gesetz ausgenommen, obwohl die ÖVP diese gerne "berücksichtigen" wollte. Die Grünen hielten erfolgreich dagegen. Die neuen Regeln gelten für Plattformen mit mehr als 100.000 Nutzern und einem Umsatz von 500.000 Euro. Wikipedia und Online-Händler sind ebenfalls von dem Gesetz ausgenommen.

Der Entwurf wird bereits diskutiert.

Die Plattformen müssen "unverzüglich" löschen, wenn eine Rechtswidrigkeit bereits für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig ist. Für Prüfung eines Postings gibt es sieben Tage Zeit. Verstoßen die Plattformen gegen das Gesetz, drohen hohe Geldstrafen.

Verschärfung

Vorgesehen sind außerdem strafrechtliche Verschärfungen. So soll Verhetzung nicht nur strafbar sein, wenn sie sich gegen ganze Bevölkerungsgruppen richtet, sondern auch wenn gegen einzelne Personen gehetzt wird, die diesen Gruppen angehören. Und "Upskirting" – also das verdeckte Fotografieren des Intimbereichs – wird unter Strafe gestellt.

Auch sollen Menschen, die Ziele von Hass im Netz wurden, auf zivilrechtlichem Weg – ähnlich dem strafrechtlichen Mandatsverfahren – rasch und günstig gegen Verfasser derartiger Postings vorgehen können.

Weitere Neuerungen

Bereits vor Start der Pressekonferenz wurde ein "Factsheet" zu den neuen Regelungen veröffentlicht. Neben der Vereinfachung zivilrechtlichen Vorgehens findet sich darin auch das Vorhaben, Opfern Zugang zu "psychosozialer und juristischer Prozessbegleitung" zu ermöglichen. Zudem sollen auch Arbeitgeber die Möglichkeit erhalten, die Löschung von Hasspostings auf zivil- sowie medienrechtlichem Wege zu verlangen, wenn ihre Mitarbeiter zur Zielscheibe werden.

Die seit 2005 nicht mehr valorisierten Schadenersatzsummen für die Verletzung des Persönlichkeitsrechts im Medienrecht werden zudem erhöht. Weiters wird auch die Definition des "Cybermobbing" geändert. Schwere Beleidigungen, Bloßstellungen, Drohungen und Belästigungen erfüllen diese Definition nun schon ab dem ersten Posting und nicht erst bei "fortgesetzten" Handlungen seitens des Täters.

Kein Bestandteil des Pakets sind neue Transparenzregelungen für den Staat. Hinsichtlich des Informationsfreiheitsgesetzes laufen die Verhandlungen zwischen ÖVP und Grünen weiter.

Datenschützer skeptisch

Mit wenig Begeisterung wird die Vorlage von der Privacy-NGO Epicenter Works empfangen. Obwohl die Regelungen sich vor allem an multinationale Netzgrößen wie Facebook richten sollen, würden sie aufgrund der nur sehr spezifisch gesetzten Ausnahmen auch viele andere erwischen würden, schreibt man in einer ersten Analyse.

Während etwa Plattformen, auf denen Dienstleistungen vermittelt und bewertet werden, ausgenommen sind, wären gemäß dem aktuellen Entwurf nach Ansicht von Epicenter auch Open-Source-Entwicklungsplattformen wie Github, Rezeptseiten oder Chats in Onlinegames wie World of Warcraft betroffen. Eine solche Regelung, die Auswirkungen auf große Internetkonzerne haben soll, könne für kleinere Anbieter existenzgefährdend sein. Es könnte Anreize für Start-ups schaffen, absichtlich klein zu bleiben, um die Umsatzgrenze, ab der die Regelungen gelten sollen, nicht zu überschreiten.

Als Problem betrachtet man auch den vorgesehenen Instanzenweg. Dieser sieht vor, dass zuerst der Betreiber selbst prüft, ob ein beanstandeter Inhalt rechtswidrig ist. Im zweiten Schritt folgt ein Beschwerdeverfahren bei der Telekombehörde RTR. Damit falle die Letztentscheidung über die rechtliche Einordnung von Problempostings in private Hände und nicht an ein Gericht.

Positiv sieht man die neuen Transparenzpflichten für die Anbieter, da diese künftig regelmäßig offenlegen müssen, wie ihre Moderation funktioniert, wie viele Vorfälle es gab und welche Entscheidungen getroffen wurden. (sum, gpi, 3.9. 2020)

Update, 3.9., 9:15 Uhr: Informationen aus dem Factsheet ergänzt.

Update, 3.9., 11 Uhr: Analyse von Epicenter Works hinzugefügt.