Auf der Wiener Einkaufsstraße kommen Sportfans derzeit auf ihre Kosten.

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Etwas mehr als zwei Kilometer sind es von der Äußeren Mariahilfer Straße, kurz vor dem Wiener Westbahnhof, bis hinunter zum Museumsquartier. Eine flotte Läuferin braucht für die Strecke wahrscheinlich weniger als zehn Minuten. Wenn sie dabei nicht nur auf ihre Laufuhr schaut, sondern auch die Geschäfte links und rechts im Blick hat, wird ihr schnell auffallen: Auf der Mariahilfer Straße ist ein wahrer Boom an Sportgeschäften ausgebrochen.

Ganz am Anfang des Laufes, also an der Adresse Äußere Mariahilfer Straße 138, befindet sich der Diskonter Sports Direct, innerhalb des Gürtels folgen Stores von Nike, Puma und Asics. Im Shoppingcenter Gerngross ist mit XXL Sports ein Diskonter untergebracht, ein paar Schritte weiter folgt auf der Mariahilfer Straße 36 eine Filiale von Hervis Sports. Ziemlich genau gegenüber lockt JD Sports eine junge Zielgruppe an. Und an der Ecke Mariahilfer Straße / Stiftgasse kündigt ein Transparent an, dass nächstes Jahr ein Intersport Winninger auf 3500 Quadratmetern aufsperren wird. Dafür hat das auf den Laufsport spezialisierte Geschäft Runner’s Point im Eckhaus an der Hausnummer 31 unlängst zugesperrt. Die Marke gehört zum Imperium des amerikanischen Konzerns Footlocker, der im Frühjahr ankündigte, die Standorte schließen zu wollen.

Radeln und Wandern

Auch in anderen Einkaufsstraßen und Shoppingzentren boomt das Fitnesssegment, wie Marktbeobachter dem STANDARD bestätigen. "Die Konsumausgaben für Sport sind in Österreich generell sehr hoch", erklärt Walter Wölfler, Retailexperte beim Immobiliendienstleister CBRE. Dank Corona sind Sportarten wie Radfahren, Wandern und die Fitness zu Hause jetzt zudem beliebt wie nie.

Und noch etwas hat die Pandemie befördert: Viele Menschen sitzen im Homeoffice und brauchen vor dem Laptop zu Hause eher eine bequeme Jogginghose als den Nadelstreifenanzug. Auch davon profitieren die Sportgeschäfte, erklärt Hannes Lindner vom Beratungsunternehmen Standort + Markt. Und das sei eine Entwicklung, die nach Corona Einzug in den Büroalltag halten wird: "Auch dort werden wir nicht mehr so formell unterwegs sein", sagt Lindner.

Allerdings muss bei den vielen, vielen Sportgeschäften, die sich auf teils sehr großen Mietflächen breitgemacht haben, auch genau unterschieden werden: So gibt es Shops wie jene von Nike oder Puma, die auf sportliche, aber durchaus auch alltagstaugliche Kleidung setzen. JD Sports hat sich ebenfalls auf Mode sowie sportliche Sneakers spezialisiert, und dann gibt es noch einige klassische Sport-Retailer, die auch die "Hardware" wie Fahrräder verkaufen. Besonders für Letztere wird die nahende Herbstsaison wichtig: Denn ob es die Österreicher heuer auf die Piste zieht und sie daher in neue Skier investieren, wird spannend.

Expertise gefragt

Auf der Mariahilfer Straße sind Diskonter wie XXL Sports vertreten, aber auch Retailer wie Intersport, die auf umfangreiche Beratung setzen. Berechtigung haben beide Schienen, betont Lindner: "Diskonter animieren Einsteiger durch ihr günstiges Angebot. Wenn die Leute dann mal im Sport drinnen sind, ist gute Beratung gefragt."

Durch Beratung von Profis kann sich der Sporthandel auch von der Online-Konkurrenz abheben, ist CBRE-Experte Wölfler überzeugt – besonders in Österreich. Wölfler führt das auf den traditionell wichtigen Skikauf zurück, für den man sich schon immer gut beraten lassen wollte. Allerdings müssen auch die stationären Händler online aufrüsten. Etwa, indem man sich die Skier, die man auf der Mariahilfer Straße erwirbt, danach bequem nach Hause liefern lassen kann – und sich damit nicht durch den Trubel der Einkaufsstraße kämpfen muss.

Ob die Rechnung auf der Mariahilfer Straße aufgeht, wird sich zeigen. Dass manche Marken sich angesichts der wachsenden Konkurrenz früher oder später auch wieder zurückziehen, käme für Beobachter nicht überraschend. Klar ist jedenfalls: Ihr Atem darf nicht nur für den 100-Meter-Sprint reichen. Ihnen steht ein Marathon bevor. (zof, 29.9.2020)