Lange hat es gedauert, doch schließlich sind sich Türkis und Grün doch noch einig geworden über neue Regelungen gegen Hass im Netz. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, um die Gesetzeslage für das digitale Zeitalter zu adaptieren, den Diskurs im Netz wieder in zivilisiertere Bahnen zu führen und den Plattformanbietern zu zeigen, dass sie sich nicht hinter ihren Nutzern verstecken können, deren Daten sie über Werbung zu Geld machen.

Viele gute Kompromisse

Wer im Netz belästigt oder bloß gestellt wurde, hatte es bisher schwer, sich dagegen zu wehren. Der Rechtsweg war zwar schon zuvor möglich, aber riskant und teurer. Der vorliegende Entwurf erleichtert es Betroffenen, aktiv und in mehr Fällen gegen Drohungen und Herabwürdigungen vorzugehen. Gleichzeitig hat sich die Regierung bemüht, der Meinungsfreiheit weiterhin breiten Raum einzuräumen, auch wenn so manche Grenzziehung wohl erst in Präzedenzfällen ausjudiziert werden muss.

Zu begrüßen sind auch die neuen Verpflichtungen für Facebook und Co. Die Benennung eines Ansprechpartners macht sie greifbarer, dazu gibt es die Möglichkeit, Strafen auszusprechen und im Extremfall Werbepartnern zu verbieten, ausständige Forderungen zu begleichen. Sich taub zu stellen, wie es die Anbieter in der Vergangenheit immer wieder gern praktiziert haben, kann teuer werden. Das Weg sehen bei Hass schlägt sich künftig – zu Recht – auf die Bilanz nieder.

Auf Ziegel gedruckte Hasspostings bei einer Aktion der Hilfsorganisation CARE im Jahr 2017.
Foto: Imago

Gefahr für kleine Portale

Doch bei allen Fortschritten enthält das Gesetzespaket auch einige Tücken, die dringend adressiert werden müssten. Die Ausnahmen sind sehr eng gesetzt. Während etwa die Foren österreichischer Medien oder die Wikipedia nicht in die Pflicht genommen werden, könnten viele kleine und in Sachen Hasspostings unverdächtige Platt formen – beispielsweise Rezeptseiten – plötzlich vor einer für sie kaum finanzierbaren Mammutaufgabe stehen. Das kann die stets um den Wirtschaftsstandort besorgte Regierung nicht wollen.

Nach Ansicht der Datenschutz-NGO Epicenter Works könnten künftig sogar Chatnachrichten in Online-Games unter die Regelung fallen. Diese sind aber keine Diskursplattformen. Botschaften sind oft nur für einen eingeschränkten Personenkreis sichtbar und nach kurzer Zeit kaum noch auffindbar, was den Nutzen der erweiterten Moderations- und Löschpflichten in Zweifel zieht.

Private Rechtssprechung ist ein Problem

Problematisch ist auch, dass die Entscheidung über die Zulässigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Postings teils in private Hände gelegt wurde. In erster Instanz prüft der Betreiber selbst, erst in zweiter die dem Bundeskanzleramt untergeordnete, nicht weisungsgebundene Rundfunkbehörde Austria (KommAustria). Erst dann, so man mit deren Entscheid unzufrieden ist, kann der Weg vor das Bundesverwaltungsgericht angestrengt werden.

Das Hass-im-Netz-Paket ist in Summe ein Fortschritt, aber nicht der große Wurf, als den man es darzustellen versucht. Ein solcher kann er auch gar nicht sein, da man einem internationalen Problem wie Hasspostings auch nur mit internationalen Rechtsnormen gut beikommen kann. Es liegt nun also an der Kommission und den EU-Staaten, endlich eine längst überfällige europäische Lösung zu finden. (gpi, 3.9.2020)

Update, 4.9., 10:05 Uhr: Klarifizierung hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens. Beschwerden werden zwar von der RTR aufgenommen, für die Beurteilung ist allerdings die nicht weisungsgebundene Rundfunkbehörde KommAustria zuständig. Der Text wurde entsprechend angepasst.