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Chile ist einer der größten Exporteure von Lithium weltweit. Der Rohstoff wird in den nächsten Jahren vor allem in der Elektroauto-Industrie eine große Rolle spielen.

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Eine kleine Stadt im Westen Spaniens hat viel über die europäische und globale Rohstoffpolitik zu erzählen. Cáceres, mittelalterlich, rund 96.000 Einwohner, umgeben von sanften Hügeln der Sierra de la Mosca in der spanischen Provinz Extremadura, zieht seit einiger Zeit internationale Großkonzerne an. Der Grund: Unweit der Stadt befindet sich das potenziell zweitgrößte Lithiumvorkommen in der EU. 30 Jahre lang könnte die Mine laut ersten Studien gewinnbringendes Lithium abwerfen.

Lithium – jenes Material, das zur Herstellung von Elektrobatterien benötigt wird – ist nur eines von vielen Materialien auf der vor kurzem von der EU neu veröffentlichten Liste kritischer Ressourcen. Insgesamt 30 Rohstoffe finden sich darauf, unter anderem Kobalt, Strontium, Grafit und Titan, die bei der Batterie-Erzeugung, bei Elektrogeräten oder in der Luftfahrtindustrie eine bedeutende Rolle spielen.

Laut Kommission ist die EU zu sehr vom Import dieser Stoffe abhängig. Dies habe sich besonders in der Corona-Pandemie gezeigt, wo es zu Unterbrechungen in den Lieferketten gekommen ist. Hinzu kommen politische Spannungen mit Ländern, von denen die Rohstoffe geliefert werden. Nicht zuletzt sind die Materialien auch für die EU-weite Klimastrategie nötig, wenn damit Windturbinen oder Elektroautos gebaut werden sollen.

Steigende Nachfrage und Produktion

Einige der kritischen Rohstoffe haben in den letzten zehn Jahren einen wahren Produktionsboom erlebt. So hat sich etwa die globale Lithium-Produktion in dieser Zeit verdreifacht, die Kobalt-Produktion beinahe verdoppelt. Die EU-Kommission rechnet damit, dass es 60-mal so viel Lithium und 15-mal so viel Kobalt bis 2050 braucht, um ihr Ziel der Klimaneutralität zu erreichen.

Bis jetzt muss die EU dafür vor allem nach China blicken. Das Land ist für rund 60 Prozent der weltweiten Grafit- und 86 Prozent der globalen Anoden-Produktion für Lithium-Batterien verantwortlich. Magnesium, das beispielsweise bei der Laptop-Erzeugung zum Einsatz kommt, importiert die EU zu 93 Prozent aus China. Fast die gesamte Lithium-Produktion aus Australien – hinter Chile der weltweit größte Lithium-Produzent – wird in China weiterverarbeitet. Kobalt, das zu 60 Prozent in der Demokratischen Republik Kongo produziert wird, wird wiederum zu 80 Prozent in China weiterverarbeitet.

"Während der Corona-Pandemie ist es immer wieder zu Engpässen gekommen, was auch zu Preissteigerungen bei einigen kritischen Rohstoffen geführt hat", meint Hubertus Bardt, Rohstoffexperte vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. Zusätzlich habe China seine Dominanz auf dem Rohstoffmarkt schon des Öfteren als politisches Mittel eingesetzt.

Neben Spanien könnte auch in Portugal bald Lithium abgebaut werden, wie etwa in der Barroso-Mine im Norden des Landes.
Foto: APA/AFP/FRANCISCO LEONG

Abbau in der EU

Die EU-Kommission will deshalb mehr Rohstoffe in Europa abbauen sowie mehr recyclen. Die Europäische Investitionsbank hat angekündigt, eine Milliarde Euro in den Ausbau einer EU-weiten Batterie-Industrie zu investieren. Zudem soll eine neue Batterie-Allianz entstehen, die Regierungen, Industrien und Organisationen rund um die Ressourcen zusammenbringen soll. "Schon Mitte des Jahrzehnts könnte die EU bei Lithium einigermaßen unabhängig sein", glaubt Maroš Šefčovič, Vizepräsident der Kommission.

Rohstoffexperten wie Bardt sind skeptisch. "Unabhängigkeit ist bei kritischen Rohstoffen in der EU schwierig, weil sich ein Abbau bei den oftmals gering vorhandenen Mengen meist nicht rentiert", meint er. Zwar könne ein Eigenbeitrag helfen, insgesamt gehe es aber eher darum, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, etwa indem man auf unterschiedliche Lieferanten setzt.

In der Demokratischen Republik Kongo werden rund 60 Prozent des globalen Kobalts produziert.
Foto: APA/AFP/SAMIR TOUNSI

Profiteure und lokaler Widerstand

Von der Regionalisierungsstrategie profitieren trotzdem bereits Großkonzerne wie die australische Infinity Lithium, die das Lithium-Vorkommen neben der spanischen Stadt Cáceres in den kommenden Jahren erschließen will. Vor kurzem hat das Unternehmen Förderungen auf EU-Ebene in Höhe von 800.000 Euro erhalten. Der Konzern will nicht nur zu einer lokalen Wertschöpfungskette beitragen, sondern den Abbau auch sozial und nachhaltig gestalten.

Die Bewohner in Cáceres bezweifeln das. Einige haben sich zu lokalen Lobbying-Gruppen zusammengeschlossen, die auf EU-Ebene gegen das Projekt mobilmachen. Die Mine befinde sich zu nahe an der von der Unesco geschützten Stadt, heißt es. Zudem könnte das Gebiet Sierra de la Mosca, in dem sich die Mine befindet, zu einer geschützten Landschaft erklärt werden.

Kritik an Umweltproblemen

Damit könnte die Kritik am Rohstoffabbau, wie sie etwa an Projekten wie den Nickel-Minen in Indonesien laut wird, auch vermehrt in der EU Einzug halten. Die wachsende Elektroauto-Industrie wirft bisher vor allem in Entwicklungsländern einen Schatten auf deren Nachhaltigkeit, wo der "Abbau mit geringen Umwelt- und Sozialstandards erfolgt", wie es von der Wirtschaftskammer Österreich heißt.

Und während einige Rohstoffprojekte in der EU auch lokale Befürworter finden (vor allem, wenn es um die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region geht), zeigen Beispiele wie Cáceres, zu welchen Widerständen es auf lokaler Ebene kommen kann. Die Aktivistengruppe Plataforma Salvemos la Montaña de Cáceres, die sich gegen den Bau der Mine starkmacht, hat EU-Kommissions-Vizepräsident Šefčovič schon vor einigen Monaten in einem offenen Brief gewarnt: Schaffen sie es, sich gegen das Projekt durchzusetzen, dann waren die 800.000 Euro Förderung schlicht "hinausgeworfenes Geld". (Jakob Pallinger, 4.9.2020)