Justizministerin Alma Zadić (Grüne) präsentierte am Donnerstag mit Regierungskolleginnen das Paket gegen Hass im Netz. Ein Aspekt sind auch Änderungen im Mediengesetz.

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Wien – Das von der Regierung vergangene Woche präsentierte Paket gegen Hass im Netz beinhaltet auch einige Änderungen im Mediengesetz: Verletzen Medien mit ihrer Berichterstattung den höchstpersönlichen Lebensbereich von Personen, werden sie kräftiger zur Kasse gebeten – DER STANDARD berichtete. Beim Schutz der Persönlichkeitsrechte geht es beispielsweise um Identitätsschutz, üble Nachrede, Beschimpfung oder Verleumdung. So sollen die Entschädigungsansprüche von Betroffenen von derzeit maximal 20.000 Euro auf 40.000 verdoppelt werden – bei besonders schwerwiegenden Verstößen gegen die journalistische Sorgfaltspflicht werden laut dem Entwurf künftig 100.000 Euro statt 50.000 fällig.

Was noch kommen soll

Die weiteren Neuerungen: Der Identitätsschutz soll auf Angehörige von Opfern sowie auf Zeugen von Straftaten ausgeweitet werden. Ausgeweitet wird auch die Frist zur Geltendmachung der Ansprüche von sechs Monaten auf ein Jahr für Opfer, die von einer Straftat besonders betroffen sind, und auf nahe Angehörige des Opfers eines Tötungsdelikts sowie Zeugen einer solcher Tat.

Außerdem können künftig auch Arbeitgeber gegen Medien vorgehen, wenn unzulässige Berichte über bzw. Hasspostings gegen deren Mitarbeiter das Ansehen der Firma schädigen. DER STANDARD hat Expertinnen und Experten um ihre Einschätzung gebeten, was sie von den geplanten Änderungen – das Gesetz soll Anfang 2021 in Kraft treten – halten.

Mehr Spielraum für Gerichte

Medienanwältin Maria Windhager, die auch den STANDARD vertritt, beurteilt das Paket gegen Hass im Netz in seiner Gesamtheit als "ambitioniert". Dass die Entschädigungszahlungen im Mediengesetz angehoben werden, hält sie für einen richtigen Schritt: So würden Gerichte mehr Spielraum bekommen.

"Krone" als abschreckendes Beispiel

Bis dato habe sie es nur einmal in 20 Jahren als Medienanwältin erlebt, dass ein Gericht die volle Höhe ausgeschöpft habe, sagt Windhager und erzählt vom Fall einer Frau, die im Jahr 2016 von mehreren Männern vergewaltigt wurde. Die "Kronen Zeitung" wurde in der Causa vom Wiener Oberlandesgericht für einen identifizierenden Prozessbericht zu einer Entschädigung in der Höhe von insgesamt 40.000 Euro verurteilt – für einen Artikel, der sowohl in der Print- als auch in der Online-Ausgabe erschienen ist. Das Opfer der Vergewaltigung wurde unmittelbar vor der Verhandlung erkennbar gemacht, indem ihr Vorname, ihr abgekürzter Familienname, ihr Herkunftsland und der äußerst seltene Vorname ihrer Freundin, die sie in Wien besucht hatte, publiziert wurden.

Möglichkeiten geschaffen, sich zu wehren

Viel "Licht", aber auch etwas "Schatten" sieht Kronehit-Geschäftsführer Ernst Swoboda bei den Gesetzesentwürfen und dem Gesamtpaket. Für Swoboda, der viele Jahre Justiziar der Mediaprint war, sei es positiv, "dass endlich Möglichkeiten geschaffen werden, gegen Hass oder Verleumdung, vor allem auf den Plattformen der Online-Giganten, vorzugehen und sich als Betroffener zu wehren – so wie man das bei rechtsverletzenden Postings in Foren, die von Medienunternehmen betrieben werden, ja jetzt schon kann".

Beim Kommunikationsplattformen-Gesetz, das Plattformen wie Facebook und Co in die Pflicht nehmen soll, empfiehlt Swoboda allerdings eine Nachschärfung bei der Umsatzschwelle, die bei 500.000 Euro pro Jahre liegen soll: "Durch eine maßvolle Erhöhung könnte man kleinere – und für die Verbreitung rechtsverletzender Inhalte weniger relevante – Plattformen ausnehmen, für die der bürokratische Aufwand nach dem neuen Gesetz oft nur schwer leistbar wäre."

Bisherige Höchstgrenzen zu niedrig

Nachvollziehbar und richtig sei die Erhöhung der Höchstgrenzen für Entschädigungen im Mediengesetz etwa bei übler Nachrede oder der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs: "Weil es da schon – sehr seltene – Fälle geben kann, in denen die bisherigen Höchstgrenzen nicht ausreichen, um einen angemessenen Ausgleich zu schaffen", sagt Swoboda.

Er kritisiert aber: "Dass hingegen zugleich auch die Höchstgrenzen für die Verletzung von Identitätsschutz bzw. Unschuldsvermutung von Tatverdächtigen verdoppelt werden, halte ich persönlich vor allem vor dem Hintergrund, dass in der Praxis über 90 Prozent der Entschädigungsverfahren von Tatverdächtigen geführt werden, die letztlich auch als Täter verurteilt werden, für definitiv unnötig und ein falsches Signal", so Swoboda. "Aber offenbar war es den Grünen ein besonderes Anliegen, Straftätern mehr Geld zukommen zu lassen."

Viele stünden vor dem Ruin

Was Swoboda fehlt? "Schade finde ich persönlich, dass bei dem offenkundigen Engagement vor allem der Grünen für – letztlich verurteilte – Tatverdächtige offenbar nicht daran gedacht wurde, für die letztlich freigesprochenen Tatverdächtigen endlich einen Anspruch auf Ersatz ihrer durch das Strafverfahren verursachten Kosten und Schäden zu schaffen." Und: "Ich halte es nach wie vor für absolut unsachlich, dass zum einen ein zu Unrecht strafrechtlich Verfolgter durch die Kosten der Strafverteidigung existenziell ruiniert werden kann, ohne dass ihm der Staat das ersetzt, demgegenüber aber der verurteilte Straftäter zum Beispiel für Verletzung seiner Unschuldsvermutung namhafte medienrechtliche Entschädigungen erhält."

Firmen könnten gegen Kritik vorgehen

Dass Unternehmen künftig gegen Medien vorgehen können, wenn unzulässige Berichte über beziehungsweise Hasspostings gegen deren Mitarbeiter das Ansehen der Firma schädigen, hält Swoboda aufgrund von zwei Aspekten für "nicht unproblematisch", denn: "Zum einen wegen des damit eigentlich verbundenen weiteren Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers, der zum Beispiel die weitere öffentliche Abhandlung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht möchte. Und zum anderen kann dieser 'Imageschaden' des Arbeitgebers auch dazu dienen, kritische Berichterstattung zu unterbinden."

"Massiv bedrohlich für die Medieninhaber"

Für Medienanwältin Margot Rest von der Kanzlei Ruggenthaler, Rest & Borsky entsprechen viele der geplanten Neuerungen in puncto Entschädigungszahlungen bereits der gängigen Spruchpraxis der österreichischen Gerichte. Rest, die etwa den "Kurier" in medienrechtlichen Angelegenheiten vertritt, übt aber auch Kritik am Gesetzesentwurf: "Die Erhöhung der Entschädigungszahlung auf 40.000 Euro – und damit die Verdoppelung der bisherigen Höchststrafe – bzw. die Erhöhung auf 100.000 Euro bei besonders schwerwiegenden Verstößen gegen die gebotene journalistische Sorgfalt ist natürlich massiv bedrohlich für die Medieninhaber."

Sie gehe aber davon aus, dass die Gerichte bei der Strafbemessung die wirtschaftliche Existenz des Medieninhabers berücksichtigen werden. Es könne wohl kaum im Interesse des Gesetzesgebers liegen, die ohnedies nicht sehr breite Medienlandschaft in Österreich – und damit auch die Meinungsäußerungsfreiheit – durch Entschädigungszahlungen im oberen Bereich des möglichen Rahmens "auszudünnen". Bereits bei Erhöhungen in der Vergangenheit seien die angerufenen Gerichte "erfreulich maßvoll mit dem erhöhten Rahmen umgegangen", so Rest weiter.

"Rechtschutzlücke geschlossen"

Besonders erfreulich sei "die neu geschaffene Möglichkeit, bei Beleidigungsdelikten im Internet den Täter strafbehördlich ausforschen zu lassen, wo eine Verfolgbarkeit in der gelebten Praxis oft an den eingeschränkten Ermittlungsmöglichkeiten des Verletzten scheitert. Damit wurde meines Erachtens eine wesentliche Rechtschutzlücke geschlossen."

Immer individuell prüfen

Bereits jetzt gebe es für Betroffene die Möglichkeit, hohe Entschädigungszahlungen zu erhalten, sagt Medienanwalt Peter Zöchbauer, etwa wenn ein Artikel in mehreren Medien erschienen ist – wie in der Zeitung, online und im E-Paper. Den geplanten Änderungen kann Zöchbauer, der die Mediengruppe Österreich vertritt, nicht allzu viel abgewinnen: "Ich muss prüfen, welcher Nachteil der betroffenen Person entstanden ist, dann brauche ich keinen Unterbetrag und möglicherweise auch gar keinen Oberbetrag, sondern es ist individuell zu prüfen. So hat es was Sanktionenhaftes, dann muss ich aber Rechtswidrigkeit und Verschulden prüfen, das ist aber derzeit nicht im Gesetz – das ist meine Kritik daran."

Kritisch sieht Zöchbauer auch, dass Unternehmen gegen Medien vorgehen können, wenn sie einen Imageschaden aufgrund der Berichterstattung über ihre Mitarbeiter befürchten: "Bis jetzt hat man die Auffassung vertreten, dass Persönlichkeitsrechte nicht übertragbar sind. Wenn ich jemanden unterstützen möchte, der seine Persönlichkeitsrechte geltend machen möchte, kann ich ihm auch intern die Prozesskosten ersetzen. Da muss ich nicht vorsehen, dass jemand anderer Rechte geltend machen kann." (Oliver Mark, 7.9.2020)