Menschen demonstrieren beim Begräbnis der kürzlich verstorbenen Anwältin Ebru Timtik, dabei kam es immer wieder zu Zusammenstößen mit der Polizei.

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Istanbul – Der Oberste Gerichtshof der Türkei hat die Freilassung des im Gefängnis in den Hungerstreik getretenen Anwalts Aytac Ünsal angeordnet. Ünsal müsse angesichts der "Lebensgefahr, die seine weitere Inhaftierung darstellt, unverzüglich freigelassen werden", urteilte das Gericht am Donnerstag.

Der 32-Jährige befindet sich seit 213 Tagen im Hungerstreik, den er nahezu zeitgleich mit der vor einer Woche verstorbenen Anwältin Ebru Timtik begonnen hatte.

Lange Haftstrafe

Ünsal war im vergangenen Jahr wegen "Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation" zu mehr als zehn Jahren Haft verurteilt worden. Ihm und Timtik wurde zur Last gelegt, als Mitglieder einer linken Gruppierung Verbindungen zur verbotenen linksextremen DHKP-C zu haben. Die DHKP-C bekannte sich in der Vergangenheit zu mehreren tödlichen Anschlägen in der Türkei. Er und Timtik waren in den Hungerstreik getreten, nachdem sie mit allen Berufungsanträgen gescheitert waren.

Ünsal ist Mitglied einer Anwaltsvereinigung, die sich auf die Verteidigung von politisch heiklen Fällen spezialisiert hat.

Internationale Empörung

Der Tod von Timtik am 238. Tag ihres Hungerstreiks sorgte in der vergangenen Woche für internationale Empörung. Ein Gericht in Istanbul hatte sich im Juli geweigert, Timtik und Ünsal freizulassen, obwohl ein medizinisches Gutachten darauf hinwies, dass ihr Gesundheitszustand einen Verbleib im Gefängnis nicht mehr erlaubte. Anstatt entlassen zu werden, wurden beide in zwei verschiedene Krankenhäuser verlegt. (APA, 3.9.2020)