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Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden hat in der von Protesten erschütterten Stadt Kenosha ein konsequentes Vorgehen gegen Rassismus in den USA versprochen.

Foto: AP Photo/Carolyn Kaster

Kenosha – Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden hat in der von Protesten erschütterten Stadt Kenosha, Wisconsin, ein konsequentes Vorgehen gegen Rassismus in den USA versprochen. "Der tiefsitzende Rassismus ist institutionalisiert in den USA, er existiert immer noch, schon seit 400 Jahren", sagte Biden am Donnerstag. Jetzt sei die Chance da, dagegen anzugehen.

Die Proteste in Kenosha, die zum Teil von Ausschreitungen begleitet wurden, waren von sieben Schüssen in den Rücken eines schwarzen Amerikaners bei einem Polizeieinsatz ausgelöst worden. Der 29-jährige Familienvater Jacob Blake überlebte schwer verletzt.

Andere Ansichten als Trump

Zwei Tage vor Biden hatte US-Präsident Donald Trump die Stadt besucht. Er war mit Vertretern von Sicherheitskräften zusammengetroffen und hatte die Krawalle, bei denen Gebäude und Autos in Brand gesetzt wurden, als antiamerikanisch und inländischen Terrorismus verurteilt. Auf das Vorgehen der Polizei als Ausgangspunkt der Proteste war er nicht eingegangen. Auf Anfrage eines Reporters hatte Trump auch gesagt, dass es in den USA aus seiner Sicht keinen systematischen Rassismus gebe.

Biden, der Vize von Präsident Barack Obama war und bei der schwarzen Bevölkerung populär ist, versprach hingegen, die "Ursünde" Amerikas anzugehen: "Es ist die Ursünde der Sklaverei und all ihrer Überreste." Das Land sei bereit dafür, zeigte sich Biden überzeugt. Und wenn nicht, sei das etwas, wofür es sich zu kämpfen lohne, selbst wenn man verlieren sollte.

Treffen mit Blake-Familie

Vor dem Auftritt in Kenosha traf sich Biden mit Blakes Familie. Das Gespräch mit Blakes Vater und Schwestern dauerte nach Angaben des Anwalts der Familie rund eineinhalb Stunden. Auch Blake habe sich aus dem Krankenhaus zugeschaltet, sagte Biden. "Er sprach davon, dass er sich durch nichts besiegen lassen wird. Dass er nicht aufgeben wird, egal, ob er wieder laufen kann oder nicht."

Blake ist nach den Schüssen, die seine Wirbelsäule verletzten, von der Hüfte abwärts gelähmt. Das Video eines Augenzeugen zeigt, wie Blake bei dem Polizeieinsatz um ein Auto geht, während ihm zwei Polizisten mit gezogenen Waffen folgen. Eine davon ist auf seinen Rücken gerichtet. Nachdem Blake die Fahrertür öffnet und sich hineinbeugt, ist zu sehen, wie einer der Polizisten ihn am Shirt packt und sieben Mal schießt.

Ermittlungen

Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaats Wisconsin, die in dem Fall ermittelt, wurde im Auto auf dem Boden der Fahrerseite ein Messer gefunden. Die Ermittler machten bisher aber keine weiteren Angaben dazu, ob das Messer eine Rolle in dem Geschehen spielte. Die Polizisten hätten zuvor versucht, Blake mit einem Elektroschocker zu betäuben, das sei aber misslungen, hieß es. Justizminister William Barr hatte am Mittwoch in einem TV-Interview – ohne weitere Details zu erwähnen – gesagt, Blake sei dabei gewesen, eine Straftat zu begehen, und sei bewaffnet gewesen. Auf dem Video ist keine Waffe in seiner Hand zu erkennen, solange er zu sehen ist.

Biden sagte vor der Reise nach Kenosha, der Polizist, der auf Blake geschossen habe, sollte seiner Ansicht nach angeklagt werden – auch wenn letztlich die Ermittlungen ihren Weg gehen müssten.

Suspendierung in New York

Aufgrund eines Zwischenfalls bei einem Polizeieinsatz im US-Bundesstaat New York, in dessen Folge ein Schwarzer gestorben war, sind hingegen sieben Beamte vom Dienst suspendiert worden. Das sagte die Bürgermeisterin der Stadt Rochester im Nordwesten des Bundesstaats am Donnerstag (Ortszeit). Der Zwischenfall habe sich bereits im März ereignet, berichteten US-Medien.

Ein Video zeigt, wie mehrere Polizisten Daniel Prude, der nackt und dem Anschein nach unter Drogeneinfluss durch die Straßen rennt, festnehmen. Sie ziehen Prude eine Art Kapuze über, die sie davor schützen soll, angespuckt zu werden, und drücken seinen Kopf auf den Asphalt. Eine Woche später starb der Mann im Krankenhaus. Der "New York Times" zufolge gilt als Todesursache Ersticken.

Die Familie des 41-Jährigen erklärte, Prude habe psychische Probleme gehabt. Sein Bruder sagte, er habe sich Sorgen gemacht und deshalb die Polizei gerufen: "Ich habe angerufen, um Hilfe zu holen, nicht um ihn zu lynchen."

Zahlreiche Menschen protestierten in Rochester und anderen Städten erneut gegen Polizeigewalt und Rassismus. Die Staatsanwältin des Bundesstaats New York, Letitia James, versprach eine "faire und unabhängige Untersuchung".

Vorfall in Washington

Auch in der Hauptstadt Washington ist es diese Woche zu einem Zwischenfall gekommen, bei dem ein Schwarzer von einem Polizeibeamten getötet wurde. Eine Streife wurde am Mittwoch alarmiert, um im Südosten der Stadt Berichte über eine bewaffnete Person zu prüfen, wie die Polizei mitteilte. Beim Eintreffen der Beamten seien zwei Personen zu Fuß geflohen. Einer der beiden habe dabei mit einer Pistole hantiert, weswegen ein Beamter einen Schuss auf ihn abgefeuert habe, hieß es weiter. Der 18-Jährige erlag wenig später im Krankenhaus seinen Verletzungen.

Die Polizei veröffentlichte am Donnerstag auch das Video der Bodycam des Polizisten, das die Verfolgung und den Schuss auf den Verdächtigen zeigt. Die an dem Einsatz beteiligten Beamten wurden für die Dauer einer Untersuchung beurlaubt, hieß es.

In der kalifornischen Metropole Los Angeles wiederum hat ein Beamter am Montag einen schwarzen Radfahrer erschossen, der eine Pistole bei sich trug. (APA, dpa, red, 4.9.2020)