In Kayode Ojos Installation "L’Amant Double" in der Galerie Sophie Tappeiner haben sich die Menschen bereits verflüchtigt.

Foto: Curated by

Künstlerin-Kuratorin Jakob Lena Knebl hat mal wieder den Vogel abgeschossen. Die großen Fenster der Galerie Crone am Getreidemarkt ziert gerade vollflächig Werbung für Hornbach, sodass der Eindruck entsteht, man stehe vor einer besonders klein geratenen Filiale des Baumarkts in 1a-Lage. Eine Lesart drängt sich, o tempora, o corona, auf: Während die Künstler vom durch die Seuche verstärkten Prekariat verschluckt wurden, stürmten die Otto Normalverbraucher, von den Leiden der dahinsiechenden Kunstszene gänzlich unbeeindruckt, bei erster Gelegenheit die Baumärkte.

Will Knebl also augenzwinkernde Kritik üben? Die Frage stellen, ob Kunst der Allgemeinheit nur schmackhaft gemacht werden kann, wenn man sie im Baumarkt verpackt? Vielleicht. Aber Jakob Lena Knebl impliziert immer mehrere Ebenen der Interpretation, sie ist wohl die Idealbesetzung, sucht man jemanden, der zum Thema "Hybrids", dem diesjährigen Motto des Galerienfestivals "Curated by", ein Konzept erstellt. Der Raum selbst, der auratischer Kunsttempel und kapitalismusbejahende Lagerhalle gleichzeitig ist, ist hier der offensichtlichste Hybrid. Aber auch bei den ausgewählten Arbeiten, Positionen von Blixa Bargeld bis Robert Zeppel-Sperl, Judith Fegerl bis Friedrich Schröder-Sonnenstern, geht um Hybridität, sei es in Bezug auf Körperlichkeit oder den Medien-Mix. Verspielt und sehr humorvoll in der Krise ist das aber auf alle Fälle.

Schmunzeln geht auch

Schmunzeln geht auch in der Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder, in der der Chef der Serpentine Galleries, Hans Ulrich Obrist, sich mit dem zeichnerischen Werk der Autorin Friederike Mayröcker beschäftigt. Und was für ein vergnügliches Werk! Mayröckers Zeichnungen, die sie als Bildgedichte versteht, sind, wie sie selbst 1983 schreibt, "genau das Gegenteil von meinen Texten". Sie sind Manifestationen des Kindes in der Frau, wirken tatsächlich wie Zeichnungen von Volksschülern, sind wundervolle kleine Spielereien, die vor Witz und Einfühlsamkeit schäumen.

Ihre in den 60ern entstandenen Schutzgeister zum Beispiel, bessere Strichmännchen, sollen gegen die "Unsicherheit des Daseins" und die "Tücke des Objekts", dann aber auch gegen ganz Banales wie den "Mangel an Zigaretten" wirken. Freilich verbindet man auch diese Arbeiten als Betrachter sofort mit der Pandemie und wünscht sich ruck, zuck einen Corona-Schutzgeist her.

Schaff dich ab

Nur wenige Schritte weiter ist die Stimmung in der Galerie Sophie Tappeiner eine gänzlich andere: Der Kurator Jeppe Ugelvig widmet sich unter dem Titel "Get Rid of Yourself" der Frage, wie marginalisierten Gruppen mit ihrer hart erkämpften Sichtbarkeit in Situationen des Protests umgehen können, wenn diese Sichtbarkeit in einer Gegenwart ständiger Überwachung dort nur zu Identifizierbarkeit führt. In einer Arbeit des in New York lebenden Künstlers Kayode Ojo stehen einander zwei Sessel gegenüber, zwei idente Kleidungsstücke liegen sich darauf gegenüber und verweisen auf ihre Träger, die sich scheinbar in Luft aufgelöst haben. Die Arbeit hat in all ihrer Ästhetik etwas Erotisch-Bedrohliches und eine Dringlichkeit, die den Ton dieser Schau angibt.

Im dritten Bezirk wird es in der Galerie Gianni Manhattan dann noch entrischer – und das liegt nicht nur an der Kellerlage. Der Kurator James Lewis extemporiert über das Wesen der Entropie, während er noch letzte Handgriffe in der Ausstellung macht. Guillaume Marauds extraterrestrisch wirkende Begräbnisurnen, die um die unbenutzen Möbel der Galerie drapiert werden, gewinnen ob der Pandemie nochmal an schauriger Relevanz. Beide Künstler, er und die Koreanerin Mire Lee, thematisieren den Tod in ihren Arbeiten. Lees kinetische Skulpturen lassen sich leicht als sich im Todeskampf befindliche Sci-Fi-Wesen deuten. Die Künstlerin verwendet oft Teile bereits existierender Werke, bis der Verschleiß der Technik den resilienten Wesen irgendwann den finalen Gnadenschuss gibt. Oder vielleicht kommt uns das gerade nur so vor. (Amira Ben Saoud, 4. 9. 2020)