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Anstatt mit Aluhut auf die Straße zu gehen, sind harmlose Ersatzbefriedigungen in Form von Trinkfläschchen und Gitterbett wärmstens zu empfehlen.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Heute habe ich eine schräge Geschichte auf Lager, welche der Bekannten einer Freundin einer Verwandten widerfahren ist. Besagte Bekannte, jung, hübsch, ledig, angelte sich einen wohlhabenden Spitzenmediziner als Ehemann (Spitzenmediziner war er in Wahrheit nicht, wohl aber vermögend mit prestigereichem Job).

Kaum war die Hochzeit prunkvoll gefeiert und der Ehealltag angebrochen, ließ der Gemahl plötzlich eine Leidenschaft erkennen, die er zuvor vor seiner Gattin verborgen hatte. Er wollte nämlich allabendlich wie ein Kleinkind behandelt werden. Das allerdings nicht in einem übertragenen, metaphorischen Sinn, sondern ganz handfest: mit Schnuller, Fläschchen, Laufstall und Vorlesen vor dem Einschlafen, Die kleine Raupe Nimmersatt oder Das kleine Ich bin ich. Beruflich untertags ein High Performer, am Abend bedürftiges Bauxerl.

Normale Perversion

Die Ehe hatte nicht lange Bestand. Dafür kann man Verständnis aufbringen. Sexy sind am Schnuller nuckelnde Ehemänner kaum – oder nur für ein schmales weibliches Publikum. Wollüstiges Herumrollen und Herumtollen im Strampler und im Laufstall ist für Erwachsene aber eigentlich eine nette, quasi normale Perversion. Vor allem dann, wenn man sie mit anderen verbreiteten Manifestationen des Infantilen vergleicht.

Wie anders als kindisch sollte man zum Beispiel das Verhalten von Leuten bezeichnen, die sich tagaus, tagein jeden erdenklichen Dreck aus dem Internet, dem Megafläschchen für alle weltweit Unbefriedigten, ins Hirn saugen? Was ist mit den Kindsköpfen, die ihren eigenen Mangel an Ichstärke auszugleichen versuchen, indem sie sich in bedingungslose Fans von selbsternannten politischen Leithammeln (Trump, Bolsonaro etc.) verwandeln? Wie tief in der analen Phase muss man stecken, um seine Machtgelüste in Shitstorms und Hassmails auszuleben? Und wie kindisch ist es, den Aluhut aufzusetzen, weil man alle wissenschaftlichen Erkenntnisse pauschal ablehnt, nur weil sie einem nicht in den Kram passen?

Ein Vorschlag zur Güte. Falls Sie zu einer der geschilderten Verhaltensweisen neigen, suchen Sie doch einfach eine harmlose Ersatzbefriedigung. Gitterbettchen kaufen, sich vor dem Schlafengehen pudern lassen, Fläschchen trinken und einbüseln. Ist ebenfalls sehr befriedigend und viel weniger sozial schädlich. (Christoph Winder, 5.9.2020)