Folgt man dem American Service-Members’ Protection Act, ist der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) mit den am Mittwoch beschlossenen und international kritisierten US-Sanktionen gegen seine Chefanklägerin Fatou Bensouda noch recht glimpflich davongekommen.

Denn das Gesetz, 2002 unter George W. Bush in Kraft getreten, erlaubt es den USA, "alle Mittel" zu ergreifen, um ihre Bürger aus dem Zugriff des Gerichts zu befreien – militärische inklusive. Lakonisch wird der Gesetzestext, der wie kein anderer die Haltung Washingtons gegenüber dem seit 2002 in der niederländischen Stadt ansässigen Gericht symbolisiert, in den USA deshalb auch "Den-Haag-Invasionsgesetz" genannt.

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Der IStGH sitzt in Den Haag.
Foto: AP Photo/Peter Dejong

Visum entzogen

Tatsächlich sind die Strafmaßnahmen gegen Bensouda, die gegen US-Soldaten in Afghanistan ermittelt, nur ein neuer Höhepunkt der Animositäten zwischen den USA, die dem IStGH ähnlich wie China, Russland, Israel und dem Iran nicht angehören, und den Haager Juristen. Erst im Juni hatte Präsident Donald Trump per Dekret Wirtschaftssanktionen gegen IStGH-Personal ermöglicht. Chefanklägerin Bensouda kann nun nicht mehr in die USA einreisen, möglicher Besitz der gambischen Juristin dort kann beschlagnahmt werden.

Schon 2018 hatte John Bolton, damals Sicherheitsberater und heute Intimfeind Trumps, dem Haager Gericht mit "allen Mitteln" gedroht, sollte es seine Untersuchungen gegen US-Soldaten am Hindukusch nicht einstellen – vergebens.

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Chefanklägerin Bensouda steht jetzt unter US-Sanktionen.
Foto: REUTERS/Eva Plevier

Unabhängig und universell

Anders als seine Vorläufer, nämlich das UN-Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien und das UN-Völkermordtribunal für Ruanda, wurde der IStGH ab 1998 in Rom als unabhängige, universelle Gerichtsbarkeit konzipiert. 2003 nahm der IStGH die Arbeit auf, heute wirken dort etwa 800 Menschen aus mehr als 100 Ländern vor und hinter den Kulissen mit.

Sein Zweck: Ordnet ein politischer oder militärischer Führer Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen sowie Angriffskriege an, riskiert er, in Den Haag zu landen – die USA taten sich damit immer schon schwer. Bill Clinton, damals Präsident, unterzeichnete das Gründungsstatut nach langem Zögern, George W. Bush führte sein Land kurz nach 9/11 schließlich ganz aus dem IStGH. Weil die Mitgliedschaft freiwillig ist, treten aber immer wieder auch andere Staaten aus, zuletzt etwa die Philippinen und Russland.

Einige Erfolge

Trotzdem gelangen den Haager Richtern in den vergangenen 17 Jahren einige spektakuläre Erfolge, etwa in den Prozessen gegen kongolesischen Rebellenführer oder einen malischen Islamisten. Dass sich bis heute die allermeisten Fälle des IStGH eben auf den afrikanischen Kontinent beziehen, rührt nach den Worten der nun sanktionierten Chefanklägerin Bensouda – selbst bis 2012 Justizministerin Gambias – daher, dass es dort derzeit besonders viele Menschenrechtsverletzungen zu beklagen gebe. (flon, 4.9.2020)