Wäre der Halo der Andromedagalaxie nicht so dünn und lichtlos, wäre er die größte Struktur am ganzen Nachthimmel. Hier ist er violett nachgefärbt, um seine Ausmaße zu verdeutlichen.
Foto: NASA, ESA, J. DePasquale and E. Wheatley (STScI) und Z. Levay

Mit einer Geschwindigkeit von 110 Kilometern pro Sekunde rasen die beiden größten Galaxien der Lokalen Gruppe aufeinander zu, die Milchstraße und die Andromedagalaxie. Eine Kollision ist laut Astronomen unausweichlich, um ein Katastrophenszenario handelt es sich dennoch nicht. Kollisionen von Sternen wird es höchstens in extrem seltenen Ausnahmefällen geben – wenn überhaupt. Dafür ist zwischen den Sternen einfach zu viel Platz, selbst in den "dichtgepackten" Regionen einer Galaxie.

Was aber zerstört werden wird, sind die bisherigen Strukturen. Beides sind bislang Spiralgalaxien. Wenn sie sich vereinigen – und dabei möglicherweise die kleinere Spiralgalaxie M 33, den Dreiecksnebel, auch noch mitnehmen – wird sich aus der gemeinsamen Masse am wahrscheinlichsten eine elliptische Galaxie bilden. Dieser Galaxientyp ist im Universum nicht so häufig vertreten wie Spiralen, dafür gehören ihm viele der besonders großen Exemplare an.

Wo setzt man den Beginn an?

Der Zeitpunkt der Kollision wird nach den bisherigen Berechnungen für etwa 4,5 Milliarden Jahre in der Zukunft veranschlagt. Damit bliebe uns immerhin die Schmach erspart, uns als Bewohner der Galaxie "Milkomeda" bezeichnen zu müssen. Diesen Namen haben nämlich Astronomen der Harvard University und der Smithsonian Institution in Umlauf gebracht (und ihr Alternativangebot "Milkdromeda" ist auch nicht wirklich besser).

Zuletzt sind aber Fachkollegen der Universitäten Yale und Notre Dame auf den Plan getreten, die einen etwas anderen Zeithorizont entwerfen: Ihren Messergebnissen nach könne man durchaus sagen, dass die Kollision von Milchstraße und Andromeda bereits begonnen hat. Es kommt ganz darauf an, wo man die Außengrenze einer Galaxie ansetzt.

Unklare Grenzen

Die Grenzziehung ist im Kosmos oft keine sehr eindeutige Angelegenheit. Das beginnt schon in unserer unmittelbaren Umgebung: Die Exosphäre, die äußerste Schicht der Erdatmosphäre, hört nicht an einer bestimmten Stelle auf, sondern wird einfach immer dünner und geht damit fließend in die Leere des interplanetaren Raums über.

Auch bei Galaxien ist die Außengrenze nicht so einfach zu bestimmen. Rings um die Scheibe, die meist als "die eigentliche Galaxie" betrachtet wird, liegt der riesenhafte Halo: eine annähernd sphärische Region, in die als einzige gut sichtbare Elemente Kugelsternhaufen und Sternströme eingebettet sind. Dazu kommen aber noch gewaltige Ansammlungen von Gas und wohl auch Dunkler Materie – und auch all das gehört noch zum gravitativen Einzugsgebiet einer Galaxie.

Klassische Schönheit: die Andromedagalaxie.
Foto: NASA/JPL-Caltech

Ein Team um Nicolas Lehner von der University of Notre Dame in Indiana hat nun den Halo von Andromeda der bisher genauesten Vermessung unterzogen. Dabei sind die Forscher zum Ergebnis gekommen, dass sich Andromedas Halo 1,3 Millionen Lichtjahre weit Richtung Milchstraße erstreckt. Das ist gut die Hälfte der Distanz zwischen den ("eigentlichen") Galaxien. Lehner geht davon aus, dass für den Halo der Milchstraße Ähnliches gilt – daher könne man sagen, dass die Einflusssphären der beiden Galaxien bereits aneinander stoßen. In manchen Region erstreckt sich Andromedas Halo sogar zwei Millionen Lichtjahre weit in den intergalaktischen Raum hinaus.

Außerdem stellten die Forscher fest, dass dieser Halo aus zwei Schichten besteht, die wie Zwiebelschalen ineinander liegen. In der äußeren sei das Gas recht gleichmäßig verteilt, in der inneren gehe es wesentlich dynamischer zu. Das führen die Astronomen auf Supernova-Aktivitäten zurück, durch die massenweise Material aus der galaktischen Scheibe hinausgeschleudert wurde. Der Halo wurde dadurch mit schweren Elementen geimpft. So konnten etwa die Signaturen von Kohlenstoff, Sauerstoff und Silizium festgestellt werden.

Die hellen Punkte bezeichnen, wo sich weit hinter Andromeda Quasare (die extrem hellen Kerne aktiver Galaxien) befinden. Deren Licht wird teilweise absorbiert, wenn es Andromedas Halo durchquert.
Foto: NASA, ESA, and E. Wheatley (STScI)

Das dünne Medium des Halo gibt kaum Strahlung ab, die sich registrieren ließe. Um den Halo zu vermessen, mussten sich die Forscher daher eines Tricks bedienen. Sie analysierten im Rahmen des Projekts AMIGA ("Absorption Map of Ionized Gas in Andromeda") das UV-Licht von 43 fernen Quasaren, die sich von uns aus gesehen hinter der Andromedagalaxie befinden. Wo es die Sphäre des Halo durchquert, wird es zum Teil absorbiert – woraus sich dann schließen lässt, welches Material dort im Weg liegt. Und wie weit es reicht.

Wäre Andromedas Halo sichtbar, würde er schon heute die größte Struktur am Nachthimmel ausmachen, rechnet das Goddard Space Flight Center der NASA vor – locker dreimal so groß wie der Große Wagen. Vorerst können wir ohne technische Hilfe nur einen kleinen zigarrenförmigen Lichtfleck in seinem Zentrum sehen, die galaktische Scheibe von Andromeda. Doch die ist ja mit 110 Kilometern pro Sekunde am Aufholen und wird sich in den kommenden Jahrmilliarden ihrerseits zur dominanten Erscheinung am Nachthimmel auswachsen. (jdo, 14. 9. 2020)