Hinter den Türen der Schuldirektorinnen herrscht schon länger Betrieb und Hoffen und Bangen.

Foto: Regine Hendrich

Die Schulen in Wien, Niederösterreich und im Burgenland stehen kurz vor dem Beginn eines neuen Schuljahrs, eine Woche später geht es auch im Rest des Landes los – erstmals im Licht der Corona-Ampel. Gemischte Gefühle überall.

Ilse Rollett, Direktorin AHS Rahlgasse im sechsten Wiener Gemeindebezirk, ist froh darüber, dass in Wien die Ampel auf Gelb geschaltet wurde: "Das hält die Wachsamkeit von allen aufrecht." Am schwersten tue man sich natürlich mit den Abstandsregelungen, denn das Haus sei eher beengt für 700 Kinder.

Vorschrift und Autonomie

Was Rollett an den Vorgaben der Regierung schätzt, ist die Mischung: "Manche Dinge sind ganz klar geregelt, bei anderen kommt die Schulautonomie zum Tragen, denn es ist eben ein Unterschied, ob eine Schule im sechsten Bezirk steht oder im Waldviertel." Das heißt, die Schulen haben einen Spielraum, wo sie nach Notwendigkeit selbst nachschärfen oder anpassen konnten. In der Rahlgasse habe man zum Beispiel einen Werksaal, der nur über eine Belüftung Frischluft bekam, gesperrt. "Wir bekommen aber bis zu den Herbstferien neue Fenster, und die Bundesimmobiliengesellschaft bezahlt das auch", freut sich Rollett. Apropos lüften: Die Schulglocke in der Rahlgasse wird ab Montag alle 25 Minuten läuten, um daran zu erinnern, die Fenster aufzureißen. Zudem mussten Rollett und ihr Team die unverbindlichen Übungen "relativ zusammenstreichen".

Die Rahlgasse verfügt über keinen Schulhof, wohl aber über eine große Terrasse, auf der bis zu 26 Kinder unterrichtet werden könnten. Wenn das Wetter schön ist, werde das auch passieren. In den kurzen Pausen darf abwechselnd immer nur jede zweite Klasse ins Freie, die anderen müssen in den Klassen verbleiben und man habe ein "Rechtsgehsystem in den größeren Stiegenhäusern", so die Schulleiterin weiter.

Weitere Maßnahmen, die die Schule autonom entschied: Die Küche, wo die Kinder am Nachmittag kochen üben konnten, wurde komplett geschlossen. Die Kantine bleibt aber in Betrieb, die Schüler dürfen allerdings nur im Schichtbetrieb zu je 25 essen gehen. Auch bei Elternabenden ist man derzeit zurückhaltend, nur die Eltern der Erstklässler werden einen solchen besuchen können, allerdings nur ein Elternteil pro Kind und möglichst im Freien.

Doppelgleisig

"Wirklich mit gemischten Gefühlen" geht man indes im 20. Bezirk in der Integrativen Lernwerkstatt Brigittenau (ILB) ins neue Semester, wie Schulleiterin Karin Feller im Gespräch mit dem STANDARD betont. Erstens habe man sehr viele, auch sehr wichtige Informationen doppelgleisig erhalten, nämlich vom Ministerium und der Bildungsdirektion, nur um zu bemerken, " dass wenig Neues drinnen stand". Zuletzt bekam man vom Ministerium am Freitagnachmittag einen Infofolder, den man nun noch für 380 Kinder ausgedruckt habe, um sie am Montag auf alle Tische zu legen.

"Aber am schwersten tun wir uns damit, wie wir mit Verdachtsfällen umgehen sollen", sagt Feller. "Kann man das ganz den Eltern überlassen, ab wann ein Kind nicht in die Schule soll? Und auch wir fühlen uns überfordert. Das sind doch sehr weitreichende Entscheidungen."

Vergessene Kinder mit besonderen Bedürfnissen

Ganz besonders hart seien manche Vorgaben aber für die Schule, weil sie auf Inklusion setzt. So hat man in der ILB, die Kinder von der ersten bis zur achten Schulstufe verschränkt unterrichtet, nicht nur altersübergreifende Klassen, sondern in jeder Klasse auch Kinder mit besonderen Bedürfnissen. "Das sind rund ein Viertel der Kinder, an die niemand gedacht hat". Konkret sorgt sich Feller um Schüler und Schülerinnen, die Abstandsregeln oder das Tragen einer Maske weder verstehen, noch einhalten können. Auch die zweiwöchige Frist zur Einstufung der Kinder in "Standard" oder "Standard AHS" sei nach dem Distance-Learning für viele Kinder unfair. "Da drückt man ja einen Stempel für die Zukunft auf", kritisiert Feller, "diese Frist sollte verlängert werden."

Auf Gelb gesetzt und Gelb bekommen hat die Danube International School Vienna, die bereits vor zwei Wochen startete. Wie Schulleiterin Michelle Purghart erzählt, ist man froh, gleich von dieser Ampelschaltung ausgegangen zu sein. Der Alltag mit Kindern vom Kindergarten bis zur Matura verlief in den ersten zwei Wochen gut. Beim Tragen des Mund-Nasen-Schutzes ist man noch etwas strenger als vorgeschrieben. "Und wir versuchen weiterhin, viel im Freien zu unternehmen, gehen in den Prater, Schülerinnen lernen an Teichen in Biologie über Mikroorganismen im Wasser", erzählt Purghart dem STANDARD, "und alle Musikstunden sind im Freien."

Um die Ansteckungsgefahr am Morgen zu minimieren, hat man Fünf-Minuten-Slots eingeführt, in denen die Klassen zu eigenen Zeiten ins Schulgebäude eintreten.

Tiroler Idee gegen Stoßzeiten

Im Großraum Innsbruck, wo die Corona-Ampel nur knapp nicht auf Gelb steht, hat man auch eine Idee für die Morgenstunden: Um eine Entlastung in Öffis zu erwirken, appellierte Bildungslandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) an Oberstufen, Berufs- und polytechnische Schulen, den Unterrichtsbeginn eine Stunde später anzusetzen. Damit sollen das Passagieraufkommen und die Ansteckungsgefahr in Stoßzeiten reduziert werden. Für alle Fragen von Schülern, Eltern oder Lehrpersonen wurde die Hotline 0800 100 360 eingerichtet. (Colette M. Schmidt, Steffen Arora, 5.9.2020)