Der Berg kreißte und gebar eine Ampel – und die ist weder fertig noch allseitig akzeptiert. Wie halbgar die Maßnahme ist, zeigt sich allein daran, dass das Gesundheitsministerium nur kurze Zeit nach der groß inszenierten öffentlichen Vorstellung der Corona-Ampel eine Presseaussendung mit dem Titel "Präzisierung der heute bekanntgegebenen Maßnahmen bei Ampelschaltung Gelb" aussandte. Der Inhalt: Die Verordnung für die ausgeweitete Mund-Nasen-Schutz-Pflicht für Gastronomiepersonal werde in der kommenden Woche erlassen werden. Bedeutet im Klartext: Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Vizekanzler Werner Kogler von den Grünen sowie Bundeskanzler Sebastian Kurz präsentierten etwas ohne rechtliche Grundlage.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ein Ampelsystem ist grundsätzlich eine ausgezeichnete Idee. Die Bürgerinnen und Bürger können auf einen Blick erkennen, wie die Lage an ihrem Aufenthaltsort ist. Und die Abkehr von den reinen Infiziertenzahlen hin zu einem umfassenderen Ansatz der Risikobewertung, der auch die Anzahl der Tests, die Clusterverfolgung und die Spitalskapazitäten einbezieht, ist absolut begrüßenswert.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober präsentiert die Corona-Ampel.
Foto: APA/HANS PUNZ

So weit, so gut. Gut gemeint heißt aber eben nicht automatisch, dass etwas auch gut gemacht ist. Das schwarz-blau regierte Bundesland Oberösterreich und dessen rot geführte Hauptstadt Linz haben durchaus recht, wenn sie Kritik an der Gelb-Einstufung von Linz üben – gibt es doch auch andere Kommunen, die trotz schlechterer Zahlen als sicher gelten.

Fehlende Transparenz

Darin liegt schon das erste Problem: Es fehlt an Transparenz. Die 19-köpfige Kommission, die die Farbenempfehlung abgibt, ist quasi eine Black Box – warum sie wie entscheidet, ist schwer nachzuvollziehen.

Das zweite, noch größere Problem: Das Gesundheitsministerium verkündet zwar "Mindestmaßnahmen", die gesetzliche Grundlage für einige tritt aber frühestens am 1. Oktober in Kraft. Der Grundsatz "Nulla poena sine lege", also "Keine Strafe ohne Gesetz", ist schon über 200 Jahre alt und nicht umsonst der erste Paragraf des heimischen Strafgesetzbuchs. Auch wenn die Angst vor einer zweiten Covid-19-Welle vorherrscht: Welchen Sinn hat es, Maßnahmen anzukündigen, die ohnehin nicht eingehalten werden müssen?

Das dritte Problem liegt zugegebenermaßen nicht in der Zuständigkeit des Gesundheitsressorts, ist aber ebenfalls ein drängendes: die föderale Struktur des Landes. Es ist an sich schon absurd, dass in einem Kleinstaat wie Österreich jede Bezirkshauptmannschaft selbst entscheiden kann, welche Strafe man für 140 km/h auf der Autobahn zu zahlen hat. Bei gesundheitspolitischen Maßnahmen wird es aber darüber hinaus verwirrend und gefährlich, wenn, wie in Linz, Landesregierung und Bürgermeister verkünden, sie pfiffen auf die Ampel. Wenn das Schule macht, wird das Land zum Fleckerlteppich werden und niemand wissen, was er oder sie jetzt machen soll, um eine großflächige Ausbreitung des Virus zu verhindern.

Ordentliche Gesetze, klare Zuständigkeiten und Offenlegung der Entscheidungsgrundlagen müssen gerade in Krisenzeiten in einer Demokratie die Basis für politisches Handeln, das von der Bevölkerung mitgetragen werden soll, sein. Zusammengefasst: Ampel – ja gerne, aber bitte ordentlich! (Michael Möseneder, 4.9.2020)