In einer Pressekonferenz gab US-Präsident Donald Trump an, dass er über keine genauen Informationen über den Fall Nawalny verfüge.

Foto: imago images / Zuma Wire

Washington – US-Präsident Donald Trump sieht die Angaben der deutschen Bundesregierung zum Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny bisher nicht als erwiesen an. "Wir haben noch keine Beweise bekommen, aber ich werde mir das anschauen", sagte Trump am Freitag bei einer Pressekonferenz in Washington.

Trump hielt sich mit Kritik an Moskau zurück und betonte stattdessen, er habe eine gute Beziehung zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Zuvor hatte Deutschland seine NATO-Verbündeten, darunter die USA, darüber informiert, dass Nawalny "zweifelsfrei" einem Nervengift der Nowitschok-Gruppe ausgesetzt war, bevor er ins Koma fiel. Das Gift war in den 1970er Jahren von sowjetischen Wissenschaftlern entwickelt worden.

"Davon ausgehend, was Deutschland sagt, scheint das der Fall zu sein", sagte Trump zu einer Nowitschok-Vergiftung Nawalnys. "Ich wäre sehr verärgert, wenn das der Fall ist." Russland bestreitet, in die Vergiftung des 44 Jahre alten Politikers verwickelt zu sein.

Nawalny war am 22. August mit Vergiftungserscheinungen aus Russland nach Berlin geflogen worden, wo er seither in der Klinik Charité behandelt wird. Die Ärzte in dem sibirischen Krankenhaus, in dem Nawalny anfangs behandelt worden war, fanden nach eigenen Angaben sowie nach Angaben des Kremls kein Gift im Körper des bekannten Kritikers des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Diskussion über Sanktionen

Derzeit wird auf EU-Ebene über mögliche Sanktionen gegen Russland wegen des Giftanschlags diskutiert. Ob solche beschlossen werden ist jedoch fraglich. Für ein Einreiseverbot gegen russische Diplomaten beispielsweise bräuchte es erst Beweise für eine Beteiligung russischer Behörden in die Vergiftung Nawalny´s, sagt Steven Blockmans vom Brüsseler Zentrum für europäische Politikstudien (Ceps). Wirtschaftssanktionen wiederum müssten von den EU-Mitgliedsstaaten einstimmig beschlossen werden.

Bloße "Vermutungen" reichen nach EU-Recht nicht aus, um gerichtsfeste Sanktionen gegen Personen zu verhängen, sagt der Jurist. Auch die Tatsache, dass das eingesetzte Gift Nowitschok vom sowjetischen Militär entwickelt wurde und nicht frei verfügbar sei, sei nicht ausreichend. Deutschland, Frankreich und die NATO haben Russland bereits aufgefordert den Fall aufzuklären. Auch der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) forderte dies in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstag).

Was Wirtschaftssanktionen angeht, habe bereits die Debatte über die Verlängerung der Ukraine-Sanktionen gezeigt, dass es für die EU nicht einfach sei, gegenüber Russland geschlossen aufzutreten, sagt Blockmans. Im Fall Nawalny geht er davon aus, "dass es für Wirtschaftssanktionen keinerlei politische Unterstützung von Ländern wie Italien oder Ungarn geben wird, die engere wirtschaftliche und politische Beziehungen zu Russland haben". Auch Zypern sei ein möglicher Wackelkandidat.

Österreich bestellte russichen Botschafter ins Außenministerium

Eine Sanktionsvariante die derzeit medial diskutiert wird, ist ein Ausstieg aus dem Pipeline.-Projekt Nord Stream 2. Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament, Manfred Weber, sieht die Frage der Ostsee-Pipeline als Option, um den Druck auf Russland zu erhöhen. "Wenn der politische Wille da ist, müssen wirtschaftliche Fragen auch hintanstehen", sagte der CSU-Politiker am Freitagabend im "heute journal" des ZDF. Außenminister Schallenberg will an dem Projekt, an dem auch die österreichische OMV beteiligt ist, nicht rütteln.

Schallenberg hat indessen am Freitag den russischen Botschafter im Zusammenhang mit der Causa Nawalny ins Außenministerium in Wien bestellt. Dmitri Ljubinski sei dabei jene im Einklang mit der EU-Linie stehende Position Österreichs klar mitgeteilt worden, erklärte eine Sprecherin. Schallenberg schließt Sanktionen gegen Russland nicht aus, sollte Moskau nicht adäquat reagieren. Hier seien "alle Maßnahmen denkbar". Diese könnten allerdings nicht ohne Beweise ausgesprochen werden.

Skandal um Magazinbericht

In den USA schlägt sich Trump unterdessen mit den Folgen eines Magazinberichts herum – und erhält Zuspruch von seiner Ehefrau Melania Trump. Das Magazin "The Atlantic" hatte berichtet, Trump habe gefallene US-Soldaten auf einer Frankreichreise als "Verlierer" und "Trottel" bezeichnet. Die Anschuldigungen seien "nicht wahr", erklärte die First Lady am Freitag im Onlinedienst Twitter. "Es sind sehr gefährliche Zeiten, wenn anonymen Quellen mehr geglaubt wird als allem anderen und niemand deren Motivation kennt. Das ist kein Journalismus – das ist Aktivismus." (APA, red, 5.9.2020)