Seit 1. August setzt das Innenministerium auch Gesichtserkennungssoftware offiziell ein.

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Für Kritiker und Datenschützer ist der Fall klar. Sie sehen in der Gesichtserkennungsoftware ein Überwachungswerkzeug von Regierungen und Behörden. Sie weisen darauf hin, dass die Technologie unzuverlässige Ergebnisse liefere und dies oft zu Lasten ethnischer Minderheiten gehe. In einer Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) aus dem Jahr 2018, in der verschiedene Gesichtserkennungsprogramme getestet wurden, identifizierten die Programme aus einer Gruppe dunkelhäutiger Frauen bis zu 35 Prozent fälschlicherweise als Männer. Die #blacklivematter-Proteste haben die Diskussion um Gesichtserkennungssoftware weiter befeuert.

Schals, Masken, Brillen

Das österreichische Innenministerium setzt hingegen auf die Technologie. Nach einem mehrmonatigen Testbetrieb, wurde sein Gesichtserkennungssystem mit 1. August in Betrieb genommen und somit ausgeweitet. Das System ist nun vollständig in die IT des Innenministeriums integriert.

In der Testphase von Dezember des vergangenen Jahres bis Juni dieses Jahres, kam die Software in 581 Fällen zum Einsatz, damit sollen 83 Täter identifiziert worden sein, schreibt Innenminister Karl Nehammer in der Beantwortung einer Anfrage der Neos. Auch haben die Beamten festgestellt, dass das System nicht gut funktioniert, wenn "Gesichter (beispielsweise durch Schals, Masken, Brillen) verdeckt werden".

Betriebsgeheimnis

Die in Österreich eingesetzte Software stammt von der Firma Atos IT Solutions and Services GmbH mit dem Subunternehmen Cognitec Systems GmbH. Der Preis betrug 450.000 Euro. Der Einsatz der Software erfolgt nicht automatisch, sondern muss von einem Beamten in Gang gesetzt werden. "Wird eine Straftat verübt und der Täter bildlich festgehalten, dann wird diese Aufnahme mit den Fotos der Straftäter-Datenbank abgeglichen. Wenn es einen Treffer gibt, dann hat der Polizist einen Ermittlungsansatz, mit dem er weiterarbeiten kann", erklärt das zuständige Bundeskriminalamt die Funktionsweise.

Wie die Algorithmen arbeiten, ist dem Innenministerium nicht bekannt. Dies seien, "wie bei allen solchen Systemen, Betriebsgeheimnis des Herstellers", so Innenminister Nehammer in der Beantwortung der Anfrage.

Umstritten

Der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware ist höchst umstritten. Die US-Metropole San Francisco hat den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologien durch Behörden im vergangenen Jahr verboten. Die Gefahr, dass der Einsatz solcher Technologien die Bürgerrechte verletzen könne, überwiege die behaupteten Vorteile bei weitem, entschied der Stadtrat. Der Einsatz von Gesichtserkennung drohe rassistische Ungerechtigkeit zu verschärfen und "bedroht unsere Möglichkeit, frei von ständiger Beobachtung durch die Regierung zu leben", heißt es in dem Beschluss.

Die städtische Polizei und andere städtische Behörden dürfen gemäß der Entscheidung keinerlei Gesichtserkennungstechnologie erwerben, besitzen oder nutzen. Flughäfen und andere von den Bundesbehörden betriebene Einrichtungen sind von dem Verbot ausgenommen. Mittlerweile verzichten auch andere US-Städte auf die Technologie.

Die Anti-Rassismus-Demonstrationen nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd haben IBM im Juni bewogen, sich aus der Entwicklung derartiger Software zurückgezogen. Da "die Verwendung jeglicher Gesichtserkennungs-Technologie zum Zeck der Massenüberwachung, rassistischer Profilierung, Verletzungen grundlegender Menschenrechte und Freiheiten, nicht mit unseren Werten und Grundsätzen des Vertrauens und der Transparenz vereinbar ist", wie der IT-Konzern erklärte. (Markus Sulzbacher, 6.9. 2020)