Am Sonntag kam es erneut zu Massenprotesten gegen Lukaschenko.

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Vilnius/Minsk – Das EU-Mitglied Litauen wirft der Staatengemeinschaft im Zusammenhang mit Belarus (Weißrussland) Untätigkeit vor. Dadurch untergrabe die Europäische Union die Glaubwürdigkeit ihrer Außenpolitik, sagte Außenminister Linas Linkevicius in einem am Sonntag veröffentlichten Interview der "Financial Times". Die EU müsse den Einfluss Russlands kontern und der belarussischen Opposition "konkrete Hilfe" zukommen lassen.

In Belarus gingen indes am Sonntag erneut Zehntausende gegen Präsident Alexander Lukaschenko auf die Straße – trotz Demonstrationsverbot. Die Proteste reißen seit der umstrittenen Wiederwahl Lukaschenkos am 9. August nicht ab. Sicherheitskräfte gehen teils mit massiver Gewalt gegen Demonstranten vor.

Russland unterstützt Lukaschenko

Die meisten Menschen versammelten sich trotz eines Demonstrationsverbots am Sonntagnachmittag in der Hauptstadt Minsk mit historischen weiß-rot-weißen Landesflaggen. Beobachter sprachen von Zehntausenden Teilnehmern, andere Bericht auch von 100.000. Sie riefen etwa "Es lebe Belarus". Viele zogen zum Palast der Unabhängigkeit in einem anderen Stadtteil, dem Sitz Lukaschenkos. Einige schwenkten auch Regenbogenfahnen und spielten Musik. Auch die Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa marschierte mit. Auch in anderen Städten sind ähnliche Aktionen geplant.

Der Sonntag ist für die Opposition der wichtigste Tag für Aktionen gegen den autoritären Präsidenten, der als "letzter Diktator Europas" bezeichnet wird. Regelmäßig warnt das Innenministerium in Minsk, dem Aufruf der Demokratiebewegung zu folgen. Dennoch haben bereits vergangenen Sonntag mehr als 100.000 demonstriert.

Erneut zahlreiche Verhaftungen

Die Polizei ging auch dieses Mal gegen die Demonstranten vor. Uniformierte steckten vor allem Männer in Gefangenentransporter, wie auf Bildern und Videos zu sehen war. Allein in der Hauptstadt Minsk wurden schon kurz nach Beginn der Proteste laut Innenministerium mehr als zehn Menschen festgenommen. Die Menschenrechtsgruppe Frühling-96 erklärte, mindestens 70 Demonstranten seien festgenommen worden. Die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtete unter Berufung auf das belarussische Innenministerium, dass mindestens 100 Peronen in Gewahrsam genommen worden seien.

Auch in anderen Städten gingen die Menschen auf die Straßen. In Brest und Grodno gab es Berichte, dass schwarz gekleidete Uniformierte Demonstrationen auflösten und viele Menschen festnahmen. Es sei auch Tränengas eingesetzt worden, berichteten oppositionsnahe Kanäle im Nachrichtendienst Telegram.

Demonstranten wollen Enthaftungen, Aufklärung und Neuwahlen

Die Demokratiebewegung fordert den Rücktritt Lukaschenkos. Ziel der Proteste ist es, die Freilassung von Gefangenen zu erreichen, die Polizeigewalt strafrechtlich verfolgen zu lassen und Neuwahlen zu erwirken.

Die Opposition wirft dem seit 26 Jahren autoritär regierenden Staatschef Wahlbetrug vor, auch die EU erkennt die Wahl nicht an. Litauen und die beiden anderen baltischen EU-Mitglieder Lettland und Estland haben bereits Sanktionen gegen weißrussische Regierungsvertreter verhängt, darunter gegen Lukaschenko. Unterstützt wird der Präsident dagegen von Russland. (APA, red, 6.9.2020)