Wenn der Unterricht wegen des Coronavirus pausieren muss, können betreuungspflichtige Eltern auf drei Rechtsgrundlagen zurückgreifen. Die Sonderfreistellung ist nur eine davon.

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Die Aufregung des ersten Schultags – im Osten Österreichs hat sie sich bereits auf heute, Montag, zugespitzt. Wie viel davon dem Neubeginn geschuldet ist? Welchen Anteil Corona hat? Diesmal sind wohl auch viele Eltern ein wenig unentspannt. Steht doch die Frage im Raum, ob der Schulalltag wirklich so "normal" wird wie vom Bildungsminister versprochen. Und vor allem: Was passiert, wenn nicht?

Knapp vor dem Start hieß es für alle, die in "gelben" Corona-Bezirken leben, dann doch bis zum Sitzplatz einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Und was die bevorstehende Schnupfenzeit anlangt, da empfahl Heinz Faßmann (ÖVP) den Erziehungsberechtigten vor wenigen Tagen, das Kind "im Zweifelsfall" zu Hause zu lassen. Wie das mit dem Arbeitgeber geregelt werden kann? Martin Gruber-Risak, Arbeitsrechtler an der Uni Wien, erklärt, welche Möglichkeiten Eltern betreuungspflichtiger Kinder haben.

Frage: Welche rechtlichen Möglichkeiten habe ich als Mutter oder Vater, wenn mein Kind wegen Corona-Verdachts nicht in die Schule gehen kann?

Antwort: Grundsätzlich geht es in diesem Fall wohl darum, wie ich als Elternteil meiner Obsorgepflicht nachkommen und sicherstellen kann, dass mein Kind entsprechend betreut wird. Das hängt nicht nur von Alter und Entwicklungsstand des Nachwuchses ab, sondern auch davon, ob jemand anderer sich statt mir kümmern kann. Wenn nicht, haben Eltern zwei Rechtsansprüche, einer weit weniger bekannt als der andere: Die auch als "Pflegeurlaub" bezeichnete Pflegefreistellung gibt es für maximal eine Woche pro Jahr. Der Arbeitsrechtler Martin Gruber-Risak weist darauf hin, dass es darüber hinaus die für Arbeitnehmer weit vorteilhaftere §8-Regelung des Angestelltengesetzes gibt – auch das ist ein Anspruch auf bezahlte Freizeit zur Betreuung eines kranken Kindes, "wenn es keine anderen zumutbaren Betreuungsmöglichkeiten gibt". Zeitrahmen: mindestens eine Woche bis zu zehn Tage – und zwar pro Anlassfall.

Frage: Was ist dann diese dreiwöchige Sonderbetreuungszeit, die Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) den Eltern knapp vor Schulbeginn "im Zweifelsfall" empfohlen hat?

Antwort: Die wurde im März 2020 für den Fall vollständiger oder teilweise Schulschließungen eingeführt. Für Gruber-Risak eine durchaus sinnvolle Maßnahme, "weil wegen des Notbetriebs, der wohl eine zumutbare Alternative zur Betreuung daheim darstellte, nicht unbedingt klar war, ob auch in diesem Fall ein Anspruch auf Dienstfreistellung bestand". Im Juli aber wurde die Sonderbetreuungszeit auch auf sonstige notwendige Betreuung (wozu wohl auch die Betreuung eines kranken Kindes zählt) erweitert – und das soll jetzt laut Regierung bis zum Februar 2021 so verlängert werden.

Frage: Was ist das Problem dabei?

Antwort: Die Überbetonung einer Kann-Bestimmung – denn die Sonderbetreuungszeit muss ja individuell mit dem Arbeitgeber vereinbart werden. Theoretisch gibt es jetzt also drei Rechtsgrundlagen, die allerdings unterschiedlich vorteilhaft für Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmerinnen sind. Dass Beschäftigte beim Ansuchen um Sonderbetreuungszeit zu Bittstellern werden, hält der Experte Gruber-Risak für "problematisch". Zudem sei vielen wohl nicht klar, dass es darüber hinaus einen Rechtsanspruch gibt – und das für weit mehr als 30 Tage.

Frage: Egal, welche Variante ich im Fall der Fälle wähle, mein Lohn wird einfach weiter ausgezahlt?

Antwort: In allen Fällen wird der Lohn weiterbezahlt – nur unter unterschiedlichen Voraussetzungen, für unterschiedlich lange Zeit und teilweise nach oben gedeckelt.

Frage: Kommt die Sonderbetreuungszeit zu meinem Recht auf Pflegefreistellung noch dazu?

Antwort: Genau das müsste man besser auseinanderhalten, findet der Arbeitsrechtler. Über die einwöchige Pflegefreistellung hinaus gibt es laut Angestelltengesetz ja Rechtsanspruch auf gut eine Woche Betreuung eines kranken Kindes – pro Fall, ohne Jahreskontingentierung. Die Sonderbetreuungszeit habe "lediglich den Vorteil, dass Arbeitgeberinnen ein Drittel des fortgezahlten Entgelts vom Staat zurückbekommen".

Frage: Was ist, wenn mein Kind gar nicht infiziert ist? Gilt da auch schon der Rechtsanspruch?

Antwort: Wenn die Schule das Kind wegen Corona-Verdachts nicht am Unterricht teilnehmen lässt und auch sonst nicht betreut, greift der Rechtsanspruch nach dem Angestelltengesetz – wenn es sonst keine Betreuungsmöglichkeiten gibt.

Frage: Angenommen, die Klasse muss in Quarantäne, der Test meines Kindes ist negativ – was dann?

Antwort: Wieder gibt es Anspruch auf bezahlte Freistellung – wenn keine anderen Betreuungsmöglichkeiten vorhanden sind. Es kann aber auch Sonderbetreuungszeit vereinbart werden.

Frage: Gilt das bereits ab dem Anruf, der für mich bedeutet, ich muss die Arbeit liegenlassen und zur weiteren Abklärung mit dem Kind zum Arzt gehen?

Antwort: De facto ja. Der Experte Gruber-Risak schränkt jedoch ein: "Dabei müssen natürlich auch die Interessen der Arbeitgeberinnen berücksichtigt werden." Heißt: Es gilt, eine geordnete Übergabe zu organisieren.

Frage: Ich habe mehrere Kinder – gibt es da x-mal so viele Wochen Sonderbetreuungszeit?

Antwort: Nein, diese Regelung gilt pro Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer, nicht pro Kind. Noch einmal: Wer die Freistellung auf das Angestelltengesetz stützt, hat ein bis zehn Tage Anspruch – pro Anlassfall.

Frage: Können sich die Erziehungsberechtigten die Tage frei aufteilen?

Antwort: Das kommt ganz darauf an. Ist einer von beiden nicht berufstätig, muss er oder sie die gesamte Betreuung übernehmen. Auch wer im Homeoffice flexibel arbeiten kann, muss vorrangig betreuen. Annähernd gleiche berufliche Verpflichtungen bringen eine grundsätzlich freie Aufteilung mit sich. Dass beide Elternteile zu Hause bleiben, geht aber logischerweise nicht.

Frage: Können auch andere Personen, die für das Kind zuständig sind, auf diese Regelungen zurückgreifen – oder nur Erziehungsberechtigte?

Antwort: Die Obsorgepflicht trifft nur Eltern, für sie alleine gilt also die "günstigste" Regelung des Angestelltengesetzes. Auch die Sonderbetreuungszeit bleibt ihnen vorbehalten. Die Pflegefreistellung hingegen können auch Patchworkeltern geltend machen.

Frage: Und wenn sich herausstellt, dass alles nur ein Fehlalarm war?

Antwort: Das ändert nichts an den Betreuungspflichten der Erziehungsberechtigten, wenn das Kind nicht in die Schule darf und zu Hause betreut werden muss. (Karin Riss, 7.9.2020)