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Die Verschwörungstheorien der Italiener sind die gleichen wie im Rest der Welt.

Foto: AP Photo/Gregorio Borgia

Es war eine überschaubare Menge, die sich am Samstag auf der Piazza vor der Bocca della Verità in Rom zu einer Kundgebung gegen die "Gesundheitsdiktatur" der Regierung Giuseppe Conte eingefunden hat. Die Überschaubarkeit lag auch daran, dass die Teilnehmer – fast alle ohne Gesichtsmaske – demonstrativ eng zusammenrückten, um zu zeigen, dass sie die Berichte über die Ansteckungsgefahr für ein Märchen oder zumindest für maßlos übertrieben halten. Die Organisatoren hatten auf 5.000 Teilnehmer gehofft; die Polizei sprach schließlich von 1.500.

Verschwörungstheorien

Die Thesen der italienischen "complottisti" und "negazionisti" sind mehr oder weniger identisch mit jenen der "Corona-Gegner" in Österreich: Die Epidemie diene der Regierung, die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger einzuschränken, das Virus sei von "Big Pharma", George Soros und der WHO in die Welt gesetzt worden, um damit Geschäfte zu machen.

Im Rahmen der angeblich angekündigten Zwangsimpfungen werde den Bürgern statt Impfstoff Abwasser gespritzt beziehungsweise ein Mikrochip eingesetzt, mit dem die Opfer überwacht und ferngesteuert werden könnten.

Und wie im Ausland ziehen bei den Covid-19-Protesten auch in Italien rechtsextreme Gruppierungen im Hintergrund die Fäden: Zu den Organisatoren in Rom zählte die neofaschistische Partei Forza Nuova.

Viele Opfer

Dass die Proteste in Italien kaum Zulauf haben, liegt zum einen daran, dass das Land mit mehr als 35.000 Toten schwer von der Corona-Epidemie getroffen wurde. Der Schock ist in weiten Bevölkerungsteilen noch sehr präsent; die von der Regierung verordneten Restriktionen werden von der überwiegenden Mehrheit der Italiener nicht nur gutgeheißen, sondern auch weitgehend mit beachtlicher Disziplin befolgt.

Vertreter der großen Parteien warfen den Organisatoren am Wochenende vor, auf Kosten der Alten, Kranken und Verwundbaren ihr politisches Süppchen zu kochen. "Die Demonstration erfüllt mich mit Schaudern", kommentierte etwa Gesundheitsminister Roberto Speranza.

Infektion Berlusconis

Den entscheidenden Schlag versetzt hat den rechtslastigen Skeptikern, Leugnern und Verschwörungstheoretikern aber nicht der empörte Chor von Ministern, Experten und politischen Kommentatoren, sondern ausgerechnet Silvio Berlusconi: Der vierfache ehemalige Ministerpräsident, TV-Tycoon und Multimillionär ist seit einer Woche an Covid-19 erkrankt und wird im Mailänder San-Raffaele-Krankenhaus in einer Suite mit neun Zimmern und 300 Quadratmetern behandelt.

Bei Berlusconi wurde eine beidseitige Lungenentzündung diagnostiziert. Der Patient sei ruhig und spreche gut auf die Medikamente an, erklärte am Sonntag Berlusconis Leibarzt, Professor Alberto Zangrillo. "Doch er befindet sich noch immer in einer heiklen Phase", betonte er.

Mit seinen knapp 84 Jahren ist der Cavaliere ein Risikopatient – außerdem leidet Berlusconi an Vorerkrankungen. Unter anderem wurde ihm vor vier Jahren bei einer Operation am offenen Herzen eine künstliche Herzklappe implantiert. Fast ganz Italien nimmt Anteil: Die Nachrichtensendungen werden seit Tagen mit den Neuigkeiten über Berlusconis Gesundheitszustand aufgemacht – nicht nur auf seinen eigenen Mediaset-Kanälen, sondern auch im Staatssender Rai. Die Demonstration der Corona-Gegner war in den Medien dagegen nur eine Randnotiz.

Unterstützung für Conte

Obwohl Berlusconi mit seiner Partei Forza Italia in der Opposition sitzt, hat er die Restriktionen der Regierung Conte immer unterstützt, selbst während des langen und harten Lockdowns. Der Ex-Premier hat auch immer wieder Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega kritisiert, der wie die Neofaschisten aus der Krise politisches Kapital schlagen wollte und demonstrativ gegen die Maskenpflicht verstieß. (Dominik Straub aus Rom, 6.9.2020)