"Es gibt einige Städte, wo man nicht nachvollziehen kann, warum die nicht auf Gelb gesetzt sind."

Peter Hacker, SPÖ, Wiener Gesundheitsstadtrat


"Die Corona-Ampel ist ein Präventionsinstrument und keine Schuldzuweisung."

Sebastian Kurz, ÖVP, Bundeskanzler

Grafik: APA

"Ich kann verstehen, dass Vertreter von Regionen, die auf Gelb gestellt wurden, nicht begeistert sind. Streitereien darüber versteht aber niemand."

Rudolf Anschober, Grüne, Gesundheitsminister


"Linz ist kein Corona-Hotspot. Die Lage ist stabil, die Zahl der Erkrankten geht kontinuierlich zurück."

Klaus Luger, SPÖ, Linzer Bürgermeister

Grafik: Der Standard

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Foto: Sebastian Widmann/dapd

Der Zwist um die Corona-Ampel ebbt vorerst nicht ab. In Wien hat man zwar damit gerechnet, zum Start auf Gelb geschaltet zu werden, heißt es aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Kein Verständnis gibt es aber dafür, dass andere Regionen mit ähnlichen Sieben-Tage-Fallzahlen sowie weiteren Corona-Vergleichskategorien dieses Schicksal nicht ereilt hat. Vorerst sind ja nur Wien, Linz, Graz und der Tiroler Bezirk Kufstein nicht grün. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat aber bei der Präsentation der Ampel bereits durchblicken lassen, dass auch Wiener Neustadt, Wels, Innsbruck, Linz-Land und Eisenstadt-Umgebung "ein bisschen gelb blinken" würden. Sie blieben aber von den angekündigten Verschärfungen vorerst verschont. Stadtrat Hacker vermutete auch eine Bestrafung von Städten, die einen roten Bürgermeister haben. Die nächste Ampelschaltung wird wieder am kommenden Freitag veröffentlicht.

Europa-Ampel sieht Wien orange

Laut dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC – European Centre for Disease Prevention and Control), das ist eine Agentur der Europäischen Union, ist Wien aktuell in deren Ampelmodell bereits auf Orange (Stufe vier der fünfteiligen Skala) gerückt. Das ist dann der Fall, wenn die 14-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner bereits 60 Fälle überschreitet. ECDC vergleicht innerhalb eines Landes nur die größeren Regionen: Im Fall Österreich schneidet Kärnten als einziges Bundesland mit weniger als 20 Fällen am besten ab und wird (nach der österreichischen Farbgebung) mit Grün bewertet. Die restlichen Bundesländer bis auf Wien werden mit Gelb bewertet.

Es muss freilich dazugesagt werden, dass auch andere große Städte in Europa in diesem Modell schlechter abschneiden als die anderen Regionen des Landes. Und: ECDC nimmt nur die 14-Tage-Inzidenz als Einstufungsgrund her. Österreichs Corona-Ampel bewertet neben der Sieben-Tage-Inzidenz auch Indikatoren wie die Nachverfolgbarkeit von Clustern, Spitalskapazitäten und den Anteil positiver Tests. Laut Anschober seien alle Bezirke noch weit von Orange entfernt, sagte er am Freitag.

Das Problem dabei: Es gibt keine Transparenz darüber, ab welchen Signalwerten die Farbe Orange diskutiert werden muss. Laut dem Büro von Hacker dürften hier knapp werdende Spitalskapazitäten eine große Rolle spielen. Und davon ist derzeit überhaupt keine Rede: Aktuell befinden sich 143 Corona-Fälle im Spital – nach 157 am Samstag. Eine Intensivstation benötigen 28 Covid-19-Patienten und damit gleich viele wie tags zuvor.

Kurz und Anschober kalmieren

Am Sonntag rückte die Regierungsspitze aus, um in der Ampel-Diskussion zu kalmieren. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) äußerte in einer Stellungnahme Verständnis für die gelben Städte und Bezirke. Gleichzeitig müsse man aber die Ampel als "Präventionsinstrument" sehen und nicht als Schuldzuweisung. "Es braucht neben bundesweiten Maßnahmen und Empfehlungen speziell dort, wo das Risiko größer ist, verschärfte Maßnahmen."

Gesundheitsminister Anschober rief dazu auf, "Streitereien" in Bezug auf die Ampel einzustellen. Wie berichtet, hatte etwa Oberösterreichs Landeschef Thomas Stelzer (ÖVP) die Gelbschaltung für Linz als "unverständlich" und "nicht nachvollziehbar" bezeichnet. Stadtchef Klaus Luger (SPÖ) hatte angekündigt, die mit Gelb einhergehenden Verschärfungen nicht umzusetzen. Dann ruderte er zurück: Sobald die entsprechenden Gesetze oder Verordnungen vorliegen werden, werde er die Maßnahmen vollziehen, sagte Luger.

Die Ausweitung des Mund-Nasen-Schutzes bei Ampelfarbe Gelb und andere Verschärfungen müssen zunächst als Erstes in den Wiener Schulen bereits zu Schulbeginn am Montag umgesetzt werden. Das macht eine Verordnung des Bildungsministeriums möglich, die am Freitag in Kraft getreten ist.

Maskenpflicht im Handel bei Gelb

Mit Gelb geht ebenfalls die Ausdehnung der Maskenpflicht auf den gesamten Handel einher. Eine entsprechende Verordnung des Gesundheitsministeriums, die Masken in Kundenbereichen von Geschäften vorsieht, soll bis Mittwoch vorliegen und spätestens am Freitag rechtsverbindlich umgesetzt werden. Anschober warb am Sonntag dafür, dass diese Maßnahme "möglichst bald freiwillig gelebt" wird. Dass der Bund den Mund-Nasen-Schutz per Verordnung so rasch ausdehnen kann, diese Möglichkeit hätten Rechtsexperten sowie Anschober bestätigt, sagte Kurz.

Spannend ist die Situation bei der vorgesehenen Einschränkung der Zuschauerzahlen sowie weiteren Verschärfungen bei Events, die mit Gelb einhergehen. Hier ist eine Novelle zum Covid-19-Maßnahmengesetz sowie zum Epidemiegesetz geplant, das laut Gesundheitsministerium im September beschlossen wird und ab 1. Oktober gelten soll. Dieses Gesetz könnte von SPÖ und FPÖ im Bundesrat aber verzögert werden. Die Freiheitlichen kündigten via Österreich bereits an, dem geplanten Gesetz nicht zustimmen zu wollen. Die SPÖ ruderte am Wochenende zurück und meinte, dass noch keine endgültige Entscheidung feststehe.

Die Bundesregierung plant, dass in gelben Regionen bei Outdoor-Events mit zugewiesenen Sitzplätzen nur 5000 statt aktuell 10.000 Zuschauer erlaubt sind. In Hallen mit Sitzplätzen wird die maximal erlaubte Anzahl ebenfalls um die Hälfte auf 2500 reduziert. Ohne Sitzplätze sind drinnen wie draußen bei Veranstaltungen nur noch 100 Besucher erlaubt. Wird die Gesetzesnovelle von SPÖ und FPÖ im Bundesrat blockiert, wird sich ein Start der Verschärfung mit 1. Oktober nicht ausgehen können. Allerdings verweist Kanzler Kurz darauf, dass die geplante Einschränkung bei Events auch über eine Weisung des Gesundheitsministers an die Länder geregelt werden kann.

Fokus auf Pendler und Tourismus

Bei der nächsten Ampelschaltung am Freitag sollen laut Anschober auch Pendlerströme und Tourismuseffekte stärker Eingang in die Bewertung finden. In Linz ging die Zahl der Infizierten laut Luger zurück – von mehr als 80 Personen vor elf Tagen auf derzeit 52 Fälle. Die Einstufung für Linz auf Gelb sei "nicht gerechtfertigt". Im Salzburger Pongau hat sich um ein Ferienlager der katholischen Jungschar in der Vorwoche in Großarl ein Cluster gebildet. Aktuell gibt es laut Erzdiözese Salzburg elf Infizierte: zwei Betreuer sowie neun Kinder und Jugendliche. In Eisenstadt wurden sechs Asylwerber in einem Flüchtlingsquartier positiv getestet. Alle Bewohner wurden unter Quarantäne gestellt. (David Krutzler, 6.9.2020)