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Die Forschenden gehen davon aus, dass 44 Prozent der mit Sars-CoV-2 infizierten Personen in Island nicht mittels PCR-Tests diagnostiziert wurden.

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Ob und wie lange Menschen, die mit Sars-CoV-2 infiziert waren, immun gegen eine erneute Infektion sind, ist eine der wichtigsten Fragen, mit denen sich Forschende derzeit beschäftigen. Auch, weil eine Antwort essenziell für die Entwicklung eines Impfstoffes ist.

Nun liefert eine großangelegte Kohortenanalyse isländischer Wissenschafter neue Erkenntnisse zur Dauer einer Immunantwort gegen Sars-CoV-2. Dafür haben die Forschenden Blutproben von 30.576 Isländern gesammelt und sechs verschiedene Tests zur Messung der Antikörper verwendet – wodurch mögliche Testfehler reduziert werden konnten. Unter den Probanden befanden sich 1.237 Personen, die zuvor positiv auf Covid-19 getestet wurden, 4.222 Personen, die aufgrund eines direkten Kontaktes mit einem Sars-CoV-2-Infizierten in Quarantäne waren, und 23.452 Personen, von denen nicht bekannt war, dass sie exponiert waren.

Konstant hoch

Das Ergebnis der Untersuchung: Von den zuvor mittels PCR positiv auf Sars-CoV-2-getesteten Personen waren 91,1 Prozent seropositiv, bei ihnen waren also Antikörper nachweisbar. Und diese Menge an Antikörpern im Blut blieb auch vier Monate nach der Infektion konstant hoch. "Die Beobachtung über die Dauer der Nachweisbarkeit der Antikörper ist sehr wichtig und sicher auf andere Länder übertragbar", kommentiert Gérard Krause, Leiter der Abteilung für Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, die Studie.

Allerdings ist bislang nicht klar, was das Vorhandensein von Antikörpern tatsächlich für die Immunität bedeutet: "Antikörpernachweis bedeutet nicht unbedingt Immunität, genau so wie man aufgrund von keinen Antikörpern nicht auf keine Immunität schließen kann", sagt dazu Christian Althaus, Leiter einer Forschungsgruppe zu Immuno-Epidemiologie an der Universität Bern. Wer aber bereits Antikörper hat, könne vor einer eventuellen Neuinfektion besser geschützt sein beziehungsweise einen milderen Verlauf der Krankheit durchmachen, so der Experte weiter.

Geschätzte Dunkelziffer

Auch eine mögliche Dunkelziffer haben die Forschenden anhand ihrer Daten berechnet: Sie schätzen, dass bisher erst insgesamt 0,9 Prozent der Isländer mit Sars-CoV-2 infiziert waren und dass 44 Prozent der mit Sars-CoV-2 infizierten Personen in Island nicht durch PCR-Tests diagnostiziert wurden.

Auch eine Infektionssterblichkeit (IFR), also die Anzahl aller Infizierten, die an der Infektion sterben, lässt sich anhand der isländischen Studie berechnen, sie liegt in der untersuchten Population bei 0,3 Prozent. Die absoluten Fallzahlen waren allerdings sehr klein. Eine Schätzung der Infektionssterblichkeit anhand von nur zehn Todesfällen, wie es in der Studie der Fall war, sei "sehr unsicher", sagt dazu etwa Bernd Salzberger, Bereichsleiter Infektiologie am Universitätsklinikum Regensburg. Die statistischen Unsicherheiten seien hier einfach zu groß, um bezüglich der Sterblichkeit auf die Gesamtbevölkerung etwas sagen zu können, glaubt auch Althaus und erklärt: "Wäre es in Island zu einem größeren Ausbruch in einem einzigen Pflegeheim gekommen, wäre die IFR wohl bedeutend höher. Falls sich per Zufall nur junge Personen infizierten, wäre sie viel tiefer." Verschiedene Studien in der Schweiz, so Althaus, haben die IFR auf etwa 0,6 Prozent geschätzt.

Auch Krause vermutet, dass die Ergebnisse der Studie zur Dunkelziffer sowie zur Infektionssterblichkeit "doch recht abhängig von der spezifischen epidemiologischen Situation in Island und daher nur bedingt übertragbar sind". Die Ergebnisse wurden im Fachjournal "NEJM" veröffentlicht. (red/bere, 7.9.2020)