Drahtlose Kopfhörer wie hier auf einem Werbesujet des Herstellers sind bei Jugendlichen beliebt – auch als Raubbeute.

Foto: Apple

Wien – "Man findet wirklich alles auf Youtube", sagt Andreas Hautz, Vorsitzender eines Schöffensenates, halb beeindruckt und halb belustigt zum neben ihm sitzenden Laienrichter. Gerade hat der 15-jährige Erstangeklagte C. dem Senat verraten, wie er und zwei gleichaltrige Bekannte auf die Idee gekommen seien, fremde Mofas zu entwenden: "Wir haben uns auf Youtube angeguckt, wie man Mopeds knacken kann", hat er verraten. Der jugendliche Forscherdrang wurde dann in die Tat umgesetzt – zwei fremde Fahrzeuge ergatterte man, beim dritten kam die Polizei.

C. wollte aber auch noch etwas anderes, und dieser Vorwurf wiegt noch schwerer: Er soll mit zwei weiteren Angeklagten an einem Tag gleich drei Raubüberfälle begangen und dabei zweimal drahtlose Kopfhörer der Marke Apple sowie sechs Euro in Münzen erbeutet haben. Die Strafdrohung dafür: bis zu fünf Jahre Haft.

"Zu dritt Kagran gefahren"

"Wir sind nach der Schule zu dritt Kagran gefahren", erklärt der unbescholtene Österreicher, der sich schuldig bekennt, den Hergang. Für Nichtwiener: Man war auf dem Weg in ein Einkaufszentrum. Auf dem U-Bahn-Steig habe man dann einen Jugendlichen mit den Kopfhörern gesehen. "Wir haben nicht nachgedacht und beschlossen, die Airpods wegzunehmen", gibt C. zu.

Er ist das, was man in Oberösterreich ein Bröckerl nennen würde, also für sein Alter groß und massig. Das Raubopfer war das nicht. "Ich habe gedroht, dass wir ihm Faust geben", begründet C., warum er sich durchaus vorstellen kann, warum das Opfer seine Kopfhörer freiwillig hergab. Dass es auch danach noch mehrere Wochen Angst hatte, nimmt er bedauernd zur Kenntnis.

Sechs Euro als Beute

Gleich anschließend sah das Trio "einen gut angezogenen Jungen, wir dachten, er hat viel Bargeld dabei". Hatte er nicht, in seiner Schultasche fanden sich sechs Euro in Münzen, deren Verlust das Opfer nicht einmal bemerkte. Auf dem Rückweg in die Schule staubten die drei an einer Bushaltestelle nochmals Airpods ab.

"Wie viel Taschengeld bekommen Sie?", will der zweite Schöffe vom Erstangeklagten wissen. "Das ist unterschiedlich, wie viel mir meine Eltern geben. So 200 bis 300 Euro im Monat. Ich wollte auch Airpods haben." – "Sparen? Zum Geburtstag wünschen?", zeichnet Vorsitzender Hautz zwei legale Optionen auf, das 180 Euro teure Objekt der Begierde zu erlangen.

Einer der beiden ebenfalls unbescholtenen Mittäter erklärt auf die Frage, warum er mitgemacht habe: "Wir wollten uns beweisen. Wir dachten, wir sind mutig und cool." Hautz versteht das Argument nicht: "Aber zu dritt auf einen Schwächeren losgehen ist ja zutiefst ehrlos!" Als Wiedergutmachung bekommen die drei Opfer im Gerichtssaal jeweils 150 Euro Entschädigung von den Verteidigern der Angeklagten, der Neupreis der Airpods wird ebenfalls ersetzt.

Freude am Mopedfahren

Bezüglich der Mopeds beteuern die Beteiligten, keine Bereicherungsabsicht gehabt zu haben. "Das hat uns gefallen, dieses Mopedfahren", beschreibt Erstangeklagter C. es. Wäre man am Ende nicht erwischt worden, hätte man die Fahrzeuge irgendwo einfach abgestellt, beteuern alle.

Was beim Drittangeklagten nicht ganz so sicher ist: Der kurvte am 16. Februar mit dem BMW seines Vaters durch die Stadt, flüchtete vor der Polizei, gefährdete Beamte und konnte schließlich erst durch Schüsse gestoppt werden. 16 Monate, davon zwei Monate unbedingt, erhielt er dafür, für die Mopedentwendung droht ihm nun eine Zusatzstrafe.

Die bekommt er in Form von einem Monat unbedingt, der Erstangeklagte C. erhält fünf Monate bedingt plus Bewährungshilfe und die Auflage, eine Psychotherapie zu absolvieren, der Viert- und Fünftangeklagte müssen im Rahmen einer Diversion jeweils 80 Stunden gemeinnützige Arbeit verrichten. Das Verfahren gegen den Zweitangeklagten wird ausgeschieden und später verhandelt, da er nicht erschienen ist. (Michael Möseneder, 28.10.2020)