Lasst uns den Brexit durchziehen", lautete Boris Johnsons Slogan im vergangenen Jahr. Dem britischen Wahlvolk versprach der Premierminister, er habe eine "ofenfertige" Vereinbarung mit Brüssel. Neun Monate nach seinem klaren Wahlsieg entpuppen sich die schönen Worte als ebenso lügenhaft wie einst die Artikel des hochbezahlten Journalisten. In Wirklichkeit steuert Großbritannien auf einen kompletten Bruch mit dem größten Binnenmarkt der Welt zu.

Anti-Brexit-Demonstrant vor den Houses of Parliament in London.
Foto: AFP/TOLGA AKMEN

Das sogenannte No-Deal-Szenario sei "eine gute Lösung", redet der Premier den Briten jetzt ein. Das mag glauben, wer will. Am Montag aber kam zusätzlich ans Licht: Die Regierung will nicht nur ohne Handelsvertrag mit der EU ins neue Jahr gehen; ein neues Gesetz soll auch den gerade erst mit Brüssel abgeschlossenen Austrittsvertrag untergraben. Dieser sieht eine Speziallösung für Nordirland vor, um die Grenze zur Republik Irland offen zu halten und damit den Frieden in der einstigen Bürgerkriegsregion zu wahren.

Der Lateiner Johnson sollte eigentlich den altrömischen Grundsatz "pacta sunt servanda" kennen: Verträge sind einzuhalten. Er liegt dem Völkerrecht zugrunde, zu dessen Verbreitung das Vereinigte Königreich früher viel beitrug.

Wenn London jetzt Zweifel an seiner Vertragstreue aufkommen lässt und in Irland mit dem Feuer spielt, zerstört es die Grundlage künftiger Zusammenarbeit und macht sich international zu einer Art von Schurkenstaat. (Sebastian Borger, 7.9.2020)