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Die Indigenen treten als eigene Nationen bei den Weltmeisterschaften – sowohl der Herren als auch der Damen – an.

Foto: Jourdan Bennett-Begaye, Indian Country Today via AP

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Lacrosse wird noch immer stark von weißen Spielern dominiert, obwohl es ein Spiel der Indigenen Nordamerikas ist.

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Miles Thompson, einer der Stars des indigenen Lacrosse, bei einem Spiel der Profi-Liga PLL.

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Sie waren die Ersten, die vor Jahrhunderten den Sport ausgeübt haben. Sie nennen ihn das "Medizin-Spiel", weil es Heilung bringen soll, und wollen während eines Matches dem Schöpfer gefallen. Und doch sollten sie von der großen Bühne ausgeschlossen werden.

Sie, das sind die Haudenosaunee, ein Zusammenschluss von sechs indigenen Völkern der USA und Kanada – den Mohawks, Oneidas, Onondagas, Cayugas, Senecas and Tuscaroras. Und ihr Sport ist in ihren Sprachen "tewaarathon" oder "baggataway" und wurde erst von französischen Siedlern "Lacrosse" getauft.

"Black Lives Matter" im Sport

Lacrosse wird in der modernen Variante von zwei Mannschaften gespielt, wobei die Spielerinnen und Spieler einen Hartgummiball in Netzen auf Stäben, den sogenannten Sticks, transportieren. Ziel des Spiels ist, den Ball in das gegnerische Tor zu befördern und am Ende der Spielzeit von viermal 15 Minuten mehr Tore als das andere Team geschossen zu haben.

Die Lacrosse-Profiliga PLL solidarisierte sich offen mit Black Lives Matter und der Gleichberechtigung der Indigenen (rechts im Bild Jeremy Thompson von den Irokesen mit der Flagge der Haudenosaunee am Helm).

Obwohl von den Indigenen Nordamerikas erfunden und praktiziert, wurde und wird der Sport Lacrosse von Weißen dominiert. Vor allem an den Universitäten der US-Ostküste ist das Spiel beliebt. Doch im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung begann im Sommer eine Sensibilisierung.

Eine der beiden professionellen Ligen, die PLL, solidarisierte sich offensiv mit den Demonstranten auf den Straßen US-amerikanischer Städte, die gegen Rassismus protestierten. Die Spieler trugen Shirts mit dem Aufdruck der Bewegung, und afroamerikanische Funktionäre und Spieler erzählten ihre Geschichten in den sozialen Medien.

Indigene mit eigenen Teams

Währenddessen wurde bekannt, welche acht Nationen am Lacrosse-Turnier der auf 2022 verschobenen World Games in der Stadt Birmingham des US-Bundesstaats Alabama teilnehmen dürfen. Die Indigenen waren überraschenderweise ausgeschlossen. Überraschenderweise deshalb, weil aufgrund des hohen Status des Spiels in ihrer Kultur, die Irokesen bei den Herren und die Haudenosaunee bei den Damen, für Weltmeisterschaften eigene Mannschaften stellen dürfen und dabei überaus erfolgreich sind.

Qualifiziert hätten sie sich also, doch die Organisatoren der World Games richten sich nach den Regeln des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), und dort findet sich unter Artikel 30 der Charta, dass jene Länder teilnehmen dürfen, die von der internationalen Gemeinschaft als unabhängige Staaten anerkannt gelten.

Antrag stattgegeben

Die Indigenen wehrten sich und sammelten binnen kurzer Zeit bei einer Online-Petition zehntausende Unterschriften für ihre Teilnahme. Die Stars der professionellen Ligen solidarisierten sich, und schlussendlich gaben die Organisatoren der World Games nach.

Der Welt-Lacrosseverband World Lacrosse hatte einen formellen Antrag gestellt, wonach die Haudenosaunee teilnehmen sollen dürfen. Dem wurde stattgegeben. In einer gemeinsamen Aussendung strichen die Organisatoren in Birmingham und World Lacrosse die "ehrenhafte Position der Haudenosaunee Nation als Erfinder des Sports" heraus.

Doch damit war die Teilnahme noch nicht fixiert, denn eigentlich standen die acht Mannschaften der jeweiligen Turniere bereits fest. In einem einzigartigen Vorgehen verzichtete nun Anfang September der irische Verband auf seine Teilnahme am Lacrosse-Turnier.

Der Grund für die Entscheidung? Irlands Vorsitzender Michael Kennedy nannte die Indigenen die "Seele des Sports". Mit der Geste wolle man sich den Irokesen für das "Geschenk des Medizin-Spiels bedanken", schrieben die Iren in den sozialen Medien und schlossen mit ihrem Slogan "I dteannta a chéile – Together as One", den die Indigenen für ihre Kampagne für die Teilnahme geborgt hatten.

Das Statement der Iren.

Die Irokesen reagierten prompt: "Wir sind Geschichtenerzähler, aber heute sind wir sprachlos, während wir den großzügigen Geist der Iren sehen. (...) Wir werden das nie vergessen", hieß es in einem Statement. Die Organisatoren der World Games haben die Irokesen nun auf die Liste der teilnehmenden Nationen gestellt.

Auszeichnung in den USA

Für die große Geste erhält der irische Lacrosseverband nun auch eine sportliche Auszeichnung in den USA: den Musial Award, der sportliches Verhalten ehrt. Der Award sollte am 21. November im Rahmen einer einstündigen Zeremonie in St. Louis verliehen werden – doch wegen der Pandemie musste die Veranstaltung abgesagt werden. Geehrt wird Irland Lacrosse trotzdem.

Damit haben sich die indigenen Stämme Nordamerikas und die Iren einmal mehr geholfen. Zuerst im Jahr 1847, als Stammesführer der Choctaw den Iren 170 Dollar spendeten, als diese gegen eine Kartoffelmissernte und somit Hungersnot kämpften. Hunderttausende Iren starben damals. Nach Schätzungen von Historikern wäre die Spende heute rund 5.000 US-Dollar wert.

Das Statement der Irokesen.

Dass Damenlacrosse im Programm der World Games 2022 aufscheint und Herrenlacrosse ein eingeladener Sport ist, bringt das "Medizin-Spiel" wieder näher an Olympia. Nach den Jahren 1904 und 1908 wollen die Verantwortlichen des Weltverbands an den Spielen 2028 in Los Angeles teilnehmen. Auch dort sollen die Haudenosaunee Nations als eigene Mannschaften auflaufen dürfen.

"Es ist mehr als ein Spiel für uns", sagte erst vor kurzem der ehemalige indigene Lacrosse-Spieler Rex Lyons zu National Geographic über die Bedeutung des Sports: "Es ist eine Identität." (Bianca Blei, 23.11.2020)