AUVA-Dependance in Wien: Wieder einmal machen Warnungen vor der Zerstörung der Institution die Runde.

Enge Aufzüge, abgenutztes Inventar, schimmelverdächtige Flecken, jede Menge Stufen und Türschwellen: Die Fotos zeigen ein Ambiente, das seine besten Zeiten längst hinter sich hat. Mitgebracht hat die Bilder Erik Lenz, Betriebsratsvorsitzender in der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA). Was er damit beweisen will: "Als modernes Bürogebäude ist das Haus der Kaufmannschaft am Schwarzenbergplatz ungeeignet."

Doch gerade dorthin sollen hunderte Mitarbeiter der AUVA umziehen. Grund ist der Plan, die Hauptstelle in der Adalbert-Stifter-Straße und die Wiener Landesstelle in der Webergasse in Zukunft unter einem Dach zu beherbergen. Dafür soll eine völlig neue Zentrale gebaut werden – bis dahin ist als Übergangslösung der Gründerzeit-Bau am Schwarzenbergplatz vorgesehen.

Suche nach strafrechtlichen Delikten

Nicht nur der Betriebsrat, sondern auch die SPÖ will das verhindern – und greift zu juristischen Mitteln. Der Nationalratsabgeordnete Rudolf Silvan hat, wie er am Dienstag bei einem gemeinsamen Auftritt mit Lenz verriet, eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft eingebracht, um das Vorhaben auf mögliche strafrechtliche Delikte überprüfen zu lassen.

Denn sachliche Gründe für den temporären Umzug können die Kritiker nicht erkennen. Die beiden derzeitigen Standorte seien gut in Schuss , argumentiert Silvan, während im Domizil in spe teure Umbauten nötig wären: Es kursieren Berechnungen, in denen von einem Investitionsbedarf von fünf Millionen Euro ausgegangen wird.

Der SPÖ-Mandatar weist auch darauf hin, dass bei der Sitzung des AUVA-Verwaltungsrats am 30. Juli auch der Aufsichtskommissär des Gesundheitsministeriums "massive" Bedenken angemeldet und um die Absetzung des Beschlusses von der Tagesordnung gebeten habe. Das Ministerium bestätigt das im Wesentlichen auf Anfrage des STANDARD: Der Grundsatzbeschluss, der in der Sitzung "sehr kurzfristig" vorgelegt wurde, habe sich durch Unvollständigkeit ausgezeichnet, deshalb der Wunsch nach Rücknahme.

Die Vertreter von ÖVP und FPÖ, die im Verwaltungsrat die Mehrheit haben, sind dem nicht gefolgt und beharrten auf dem Beschluss. Die sei aber allenfalls "ein erster Schritt", heißt es aus dem Ministerium, das das Vorhaben in der Folge einem Genehmigungsverfahren zu unterziehen hat – wofür präzisere Pläne vorliegen müssen.

Streit um Millionen

Die AUVA verteidigt das Vorhaben: In der derzeitigen Hauptstelle wären vor allem im Bereich des Brandschutzes Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe notwendig, deshalb der Plan für einen Neubau. Als Zwischenlösung biete sich das Haus der Kaufmannschaft an, weil "im Zusammenspiel mit Lage, Quadratmeter und Vermieter derzeit keine bessere Alternative am Markt" zu finden sei. Auch der bei 14,95 Euro pro Quadratmeter angesetzte Mietpreis sei günstig.

Kryptische Andeutung

Die Kritiker halten das für eine Mär. Welches Motiv sie stattdessen vermuten? Silvan antwortet kryptisch: Die beiden Immobilien, die nun geräumt werden sollen, seien wohl sehr attraktiv – mehr wolle er dazu nicht sagen. Vor ein paar Wochen hat er bereits die Wirtschaftskammer als Profiteur ins Spiel gebracht. Diese kontrolliert den Fonds der Wiener Kaufmannschaft, die das Gebäude am Schwarzenbergplatz vermietet.

Dass bei dem Projekt Geld offenbar keine Rolle spiele, sei umso empörender, als die AUVA sonst ausgehungert und schleichend zerschlagen werde, legen Silvan und Lenz nach. Zum Sündenregister zählen sie die geplante Übersiedlung des Rehab-Zentrums Weißer Hof aus Klosterneuburg nach Wien sowie das Zurückfahren bestimmter Leistungen im Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhaus. Außerdem übe die AUVA-Führung Druck auf Mitarbeiter aus, Versicherte nicht umfassend über deren Ansprüche zu informieren, sagt Lenz: "Die aktuelle Führung spart bei den Beschäftigten und Versicherten beinhart."

Beitragssenkung kommt teuer

Hintergrund: Der AUVA setzt finanziell nicht nur zu, dass in der Krise wegen der gestiegenen Arbeitslosigkeit Unfallversicherungsbeiträge wegbrechen. Die alte schwarz-blaue Regierung hat den Beitragssatz, der allein von den Arbeitgebern zu entrichten ist, um 0,1 Prozent gesenkt, was die Einnahmen der AUVA 2019 um 111 Millionen Euro senkte. Silvan mutmaßt, dass das nur der erste Schritt gewesen sein könnte: Womöglich werde mit dem "Aushungern" der eigenen Einrichtungen die nächste Beitragssenkung vorbereitet. (Gerald John, 8.9.2020)