Die Kantine einer Versicherung in Graz wird von Zwei-Sterne-Koch Konstantin Filippou betrieben – und ist öffentlich zugänglich.

Foto: Gerhard Wasserbauer

An der Spitze ist die Hacke viel und das Geldverdienen schwer. Politiker von Schüssel und Gusenbauer bis Glawischnig müssen also dafür sorgen, zumindest hinterher abzusahnen. Es sei denn die Partei schiebt es einem, wie Straches FPÖ, schon zu Aktivzeiten mit Anlauf hinein. Spitzenköche hingegen brauchen Zweit- und, idealerweise, Drittlokale, um trotz jenseitiger Arbeitszeiten und beherzter Selbstausbeutung irgendwann in die schwarzen Zahlen zu kommen.

Die Crème der heimischen Chefs schaut deshalb darauf, dass ihr Name sich nach dem Erreichen diverser Sterne auch mit entspannteren Formen der Gastronomie vergolden lässt. Juan Amador, unser Grinzinger Drei-Sterner, hat deshalb einen Container im Weingarten seines Verpächters Fritz Wieninger zum "Gourmet-Heurigen" aufgemascherlt, jetzt lässt er sogar für einen Autobauer faschierten Braten und andere Tapas direkt im Verkaufsraum auffahren.

Natürlich hat auch Heinz Reitbauer neben dem Steirereck die Meierei und den Lederhosen-Zoo am Pogusch. Zu dieser exklusiven Truppe multipel besternter Multigastronomen darf sich nun auch Konstantin Filippou zählen – konkret war er sogar ein paar Wochen früher dran als der Kollege im Autohaus. Arravané heißt sein dritter Betrieb, die auch öffentlich zugängliche Kantine einer Grazer Versicherung.

Für Filippou ist das Thema Versicherungskantine kein neues: Vor mehr als 15 Jahren entwickelte er als Novelli-Koch bereits das Limes für die Anker-Versicherung am Hohen Markt. Das neue Ding ist jedenfalls enorm groß, auch die Fensterfront geriet monumental, der Ausblick auf Bahngeleise und die dahinter liegende Kleingartenanlage wirkt dadurch beinahe mondän. Die Karte verspricht einen unkomplizierten Mix aus griechisch inspirierten Speisen, knuspriger Pizza ("Pinsa") und ein paar steirischen Einsprengseln.

Soutzoukakia vom Bio-Lamm mit Kritharkia.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Forelle mit Kernöl, Kohlrabi und Koriander ist eine rohe, dicke, zart marinierte Scheibe vom Fisch, souverän abgeschmeckt – dass der darüber gestreute Erdäpfelknusper ein rätselhaftes Krustentier-Aroma aufweist, passt gut – ist aber, wie der extrem freundliche Service versichert, keineswegs Absicht. Grazer Krauthäuptelsalat wird mit Joghurtdressing, Oliven und Melanzani-Chips versehen, tadellos. Favabohnen-Püree kennt man im östlichen Mittelmeerraum als Foul, hier kommt es in leuchtendem Gelb, mit Röstzwiebel-Deko zu Tisch: nicht schlecht, auf die Dauer aber recht eintönig hülsenfruchtig – Nichtvegetarier können knusprige Speckwürfel dazu ordern. Dafür gibt es gutes Fladenbrot aus dem Pizzaofen dazu. Der bäckt auch die Pinsa, mit Grillgemüse und Rucola belegt, zu saftiger Knusprigkeit.

TV-Dinner

Mit Trahanas, einer griechischen Spezialität aus mit Mehl zerwuzeltem Joghurt, hat Filippou in einer Fernsehshow offenbar Moderator Tim Mälzer gelegt. Im Restaurant kommt das erfrischend saure Gericht, vermengt mit Eierschwammerln, als große Schüssel von erheblicher Pappigkeit zu Tisch, eindeutig ein "acquired taste". Dafür ist Soutzoukakia vom Bio-Lamm (auch als Izmir-Köfte bekannt) wirklich herrlich, toll gewürztes Faschiertes, zart, saftig. Der Nudelrisotto Kritharkia schmiegt sich sehr mollig dazu, eindeutig das Top-Gericht der Karte. Auch Stifado, ein wunderbar würziges Rindsragout, wird souverän geschmort – der dazu servierte Sterz aber, ein Brocken aus schnittfester Masse, vermag den Mund schon in kleinsten Bissen trockenzulegen. Egal, nimmt man eben noch einen Schluck vom Wein. Der muss hier, im Gegensatz zu den anderen Filippou-Restaurants, nicht zwangsläufig "natural" sein, ganz im Gegenteil: Versicherungsvertreter verlangen offenbar immer noch nach unreformiert steirischen Fruchtzuckerln. (Severin Corti, RONDO, 8.9.2020)

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