Es soll Glück bringen, die Glocke der Bleder Wallfahrtskirche zu hören. Vor Corona wurde sie ununterbrochen von Touristen geläutet.

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Riesige Gemälde zieren die Wände von Titos ehemaliger Sommerresidenz in Bled.

Foto: Karin Cerny

Ein Ventilator über Titos Bett bringt frischen Wind in die karge Präsidentensuite.

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Den Pavillon von König Alexander I. nutzte der Diktator als Teesalon.

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Josip Broz Tito, der von 1945 bis 1980 Staatschef von Jugoslawien war, wusste, wie man angibt. Wie viele Diktatoren liebte er Luxus und wollte der Welt beweisen, dass er es versteht, seine Gäste wie ein König zu empfangen. So nutzte er den kleinen Pavillon, den der innovative slowenische Architekt Jože Plečnik für Alexander I. von Jugoslawien hatte bauen lassen, als glamourösen Teesalon. Wie ein modernistisches Ufo schwebt der futuristische Bau über dem See.

Wer in Titos slowenische Sommerresidenz Bled kam, der wartete in diesem exklusiven Tea-Room auf den sozialistischen Sonnengott – und fühlte sie wie in einer Wellnessoase: Der Blick schweifte über den See mit der kleinen Wallfahrtskirche von 1465, dahinter die beeindruckenden Julischen Alpen. Alles unwirklich schön.

Stars und gesperrte Straßen

Das Mosaik an der Wand erzählte von der siegreichen Revolution des Kommunismus. Verwöhnt wurden die Gäste in Titos Wartezimmer mit erlesenen Cocktails und, wer wollte, mit teuren Zigarren. Hollywood-Stars wie Elizabeth Taylor und Richard Burton, Schauspielerinnen wie Sophia Loren und Gina Lollobrigida sollen ebenso hier gewesen sein wie der nordkoreanische Diktator Kim Il-sung oder BRD-Kanzler Willy Brandt, von dem noch heute ein Foto im Eingangsbereich hängt.

Wenn Tito in Bled weilte, wurde die Seestraße gesperrt, damit ihm ja niemand in die Quere kam beim Erholen. Das Personal war das ganze Jahr über anwesend, alles musste jederzeit für Tito bereitstehen, erzählt der Herr an der Rezeption, der weiß, was Gäste hören wollen, die hier absteigen und ein Faible für Exzentrik und sozialistische Dekadenz haben.

Berühmte Cremeschnitten

Nunmehr wird Titos berühmter Teesalon unter dem Namen Café Belvedere öffentlich genutzt. Es gibt keinen besseren Ort, um die berühmte Bleder-Cremeschnitte zu essen. Allerdings ist fraglich, ob der Salon aufmachen wird. Bisher hielt sich in diesem Sommer aufgrund der Corona-Pandemie der Touristenandrang nämlich in Grenzen. Normalerweise tummeln sich hier Chinesen, Koreaner und Amerikaner: Bled ist das Hallstatt von Slowenien. 8.000 Einwohner zählt der Ort, 9.000 Betten werden angeboten. Im Sommer steigt man sich auf die Füße.

Jährlich seien die Besucherzahlen gestiegen, erzählt Tomaž Rogelj, Direktor des Bleder Tourismusverbands. Wenn das so weitergehe, müsse man in Zukunft überlegen, was man gegen Overtourism unternehmen könne. Die Zwangspause durch Corona bringt zwar viele Hotels in Schwierigkeiten – so sperrt das Grand Hotel Toplice, in dem Melania 2002 Donald Trump ihren Eltern vorgestellt hatte, diesen Sommer gar nicht erst auf. Gleichzeitig ist es so ruhig und beschaulich, wie man es sich wünscht in einem einstigen Luftkurort, der schon unter den Habsburgern als "Gesund-Bad" angepriesen wurde.

Geschichte auf Schritt und Tritt

1854 eröffnete der Schweizer Arnold Rikli eine Naturheilanstalt, in der er anbot, was wir heute als Detox-Urlaub bezeichnen würden: "atmosphärische Kuren" mit viel frischer Luft, kalten Bädern, vegetarischer Diät – und natürlich einer Alkoholpause. Man sollte aufs Nötigste reduzieren. In den 1920er-Jahren avancierte Bled dann zu einem mondänen Kurort, Mitglieder der rumänischen, griechischen und englischen Königsfamilien verbrachten hier ihre Sommer.

Geschichte ist in Bled auf Schritt und Tritt präsent, nirgends aber spürbarer als im Hotel Vila Bled, Titos einstiger Sommerresidenz, einer monumentalen Steinfestung, 1947 von deutschen Zwangsarbeitern vollendet. Seit 1984 wird es als Vier-Sterne-Hotel genutzt und wirkt wie eine Zeitmaschine, die einen in eine andere Epoche versetzt. Dunkler Marmor im Eingangsbereich, schwere Luster an der Decke, ein Lift, den Tito noch benutzt hat.

Übernachten mit Tito

Der diskrete Charme der kommunistischen Bourgeoisie: In der riesigen Präsidentenvilla (Zimmer 320) thront ein Bett, in dem bereits Helmut Kohl, Prinz Charles und Laura Bush geschlafen haben. Es sind mehr als großzügige Räume, die einst Titos Privatgemächer waren und nach wie vor authentischen Funktionärscharme der 1960er- und 1970er-Jahre ausstrahlen. Alles sehr reduziert, aber massive Ölgemälde an den Wänden, und ein Bad, das superedel ist: schwarzer Marmor, vergoldete Armaturen und eine Dusche zum Hinsetzen für müde Staatsoberhäupter, die sich schließlich auch einmal gehen lassen wollten.

Einen Stock tiefer residierte Titos Gattin, aber Jovanka war selten in Bled, ihr war das Klima zu kalt, sie bevorzugte die milderen Küstenregionen. Zimmer 102 ist die Tito-Suite, hier steht noch der Originalschreibtisch mit dem alten Telefon des Partisanenführers, und das Bett, in dem er nach seiner Nierenoperation Erholung suchte. Irgendwie makaber: Man kann in all diesen historischen Zimmern als Gast übernachten. Im Bett mit Tito? Oder doch lieber mit Helmut Kohl?

Vorhänge für die Vergangenheit

Beeindruckend ist auch der Festsaal, in dem oft Hochzeiten abgehalten werden. An der Wand ein monumentales Fresko, das von Partisanenkämpfen und der Geburt der jugoslawischen Nation erzählt – davor Vorhänge, die diskret zugezogen werden können, falls Paare nicht so gern an die Vergangenheit erinnert werden wollen. Auch Tito selbst ist auf dem Wandbild verewigt, er steht mit dem Rücken zum Betrachter, so wie er sich gerne selbst sah: als überlegener Führer der Partisanenheere. Am Ende siegt in dem Bild die glorreiche Revolution, glückliche Gesichter schwingen Fahnen. Neben einem Gemälde entdeckt man ein schwarzes Quadrat in der Wand. Dahinter waren Filmprojektoren versteckt. Tito nutzte den Bankettsaal auch als privates Kino, er liebte Western. Dazu rauchte er seine teuren kubanischen Zigarren.

Über breite, niedrige Steintreppen geht es zum Ufer des Sees hinunter. Die Vila Bled hat einen eigenen Zugang, mit Bademeister und Booten, die man mieten kann, um zur Insel zu rudern, und die Glocke in der Kirche zu betätigen. Man darf sich dann etwas wünschen. Normalerweise läutet die Glocke ununterbrochen, erzählt der Bademeister. An diesem Tag ist es herrlich ruhig. So, wie es Tito gern gehabt hat. (Karin Cerny, RONDO, 11.9.2020)