Foto: APA/dpa/Sina Schuldt

Ursula von der Leyen meint es offenbar ernst. Die EU-Kommissionspräsidentin hatte zu ihrem Amtsantritt im Vorjahr bereits klargestellt, dass die Union mehr für das Klima tun muss. Auf die Ankündigung folgte der Green Deal und nun eine Nachschärfung der EU-Klimaziele. Offenbar hat sich die Kommission auf ein Minus von 55 Prozent geeinigt, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtete. Das bedeutet, dass die EU bis 2030 im Vergleich zu 1990 ihren Treibhausgasausstoß um jene 55 Prozent reduzieren muss. Das Zwischenziel soll die Union bis 2050 zur Klimaneutralität führen und im europäischen Klimaschutzgesetz eingearbeitet werden. Offiziell bestätigt wurde die Zahl seitens der Kommission allerdings noch nicht, von der Leyen dürfte sie kommende Woche in ihrer jährlichen Rede zur Lage der Europäischen Union ankündigen. Bisher hatte sich die EU lediglich zu einer Treibhausreduktion von 40 Prozent verpflichtet.

Wie sich das Minus-55-Prozent-Ziel genau auf die einzelnen Mitgliedsstaaten auswirken wird, ist noch unklar. Derzeit würden alle Mitgliedsstaaten auf den offiziellen Kommissionsvorschlag warten, heißt es im Klimaschutzministerium dazu. Anschließend müssen die Staats- und Regierungschefs die Pläne der Kommission absegnen. Geht es nach dem österreichischen Parlament, so müsste sich Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei der Abstimmung für das ambitionierteste Klimaziel einsetzen. Das wurde in einem Antrag auf Stellungnahme vor wenigen Wochen festgehalten. Auch das Europaparlament muss noch ein Ziel festlegen, das soll bis Oktober geschehen.

Ursula von der Leyen will die Europäische Union bis 2050 klimaneutral machen. Die Klimaziele sollen deutlich verschärft werden.
Foto: AFP/Oikonomou

Bisher musste Österreich seine Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2005 um nur 36 Prozent reduzieren. Um wie viel höher das künftige Ziel sein wird, konnte das Ministerium von Leonore Gewessler (Grüne) am Dienstag noch nicht beantworten. Ohne zusätzliche Maßnahmen muss die Republik laut einer Studie des Fiskalrats jedenfalls mit einer massiven Belastung des Budgets rechnen. Demnach muss Österreich für die Zeit von 2021 bis 2030 Zertifikate um 2,1 bis 4,2 Milliarden Euro nachkaufen.

Langes Warten auf die Liste

Damit Österreich bis 2040 klimaneutral wird, sind jedenfalls noch einige Maßnahmen zu treffen. Unter anderem sollen klimaschädliche Subventionen und Förderungen ein Ende finden. Doch nach wie vor hakt es bei deren Auflistung, DER STANDARD berichtete.

Gewessler betonte vergangene Woche in einem STANDARD-Interview, dass "die Hoheit für die finale Zusammenstellung" der Liste beim Finanzministerium (BMF) liege. Dort sieht man die Sachlage nach wie vor anders. Auf die Frage, wann die Liste veröffentlicht werde, ging ein Sprecher von ÖVP-Minister Gernot Blümel erst gar nicht ein. Im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung sei es sinnvoll, das Thema "im Rahmen der Arbeitsgruppe zur ökosozialen Steuerreform zu behandeln", lautete die Antwort aus dem Finanzressort.

Prozess "eingefroren"

Laut dem Blümel-Sprecher wurden weitere dahingehende Schritte Ende 2019 – also zur Zeit der Übergangsregierung – seitens des Umweltministeriums "unterbrochen", seither sei der Prozess "eingefroren". Dabei versprach das Umweltressort noch im September, man werde mit dem BMF "weiter an der Liste arbeiten und der nächsten Bundesregierung zur Verfügung stellen".

Bis vergangenem Oktober hat das Finanzressort nach eigenen Angaben nur eine Teilliste der Subventionen im Verkehrssektor erhalten; andere Bereiche wie Landwirtschaft, Abfall oder Gebäude seien säumig. "Ich bin mir sicher, dass das BMF nicht in der Holschuld ist", sagte der Sprecher dazu.

Im Klimaschutzministerium spielt man den Ball zur ÖVP zurück: Nach Veröffentlichung der Liste im Sektor Verkehr sei das Landwirtschaftsressort am Zug gewesen. Erst dann hätte das eigene Ministerium eine Liste klimaschädlicher Subventionen im Gebäudesektor vorlegen müssen. Das sei so im Prozess vorgesehen gewesen. Ob und wann die Liste veröffentlicht wird, bleibt also weiterhin unklar. (Nora Laufer, 8.9.2020)